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WAZ: Europawahl und die Folgen - Die SPD ist mit dem Latein am Ende - Leitartikel von Frank Stenglein

Geschrieben am 08-06-2009

Essen (ots) - Die SPD kann einem leidtun. Sie hat alles
ausprobiert, hat mal rechts geblinkt und mal links - das Ergebnis ist
gleichbleibend desaströs. Sie war wirtschaftsliberal, als der
Zeitgeist und die Probleme dies verlangten, sie hat frische Luft in
die muffigen Sozialsysteme gepustet und in der Ära Schröder einiges
Unpopuläre geleistet. Nach harten Stimmenverlusten bedient die Partei
- beschleunigt seit der Finanzkrise - nun wieder die andere Seite:
Der Staat ist die große Gouvernante, der Problemlöser und
Umverteiler, und selbst vom demokratischen Sozialismus darf geträumt
werden. Die SPD wähnte sich so endlich wieder nah am Volk und musste
bei der EU-Wahl erkennen, dass auch diese Strategie danebenging.

Was ist los mit der traditionsreichsten aller deutschen Parteien?
Die Antwort fällt nicht leicht. Das farblose Personal? Sicher,
Frank-Walter Steinmeier ist ein dröger Typ, doch wer jemals eine
komplette Angela-Merkel-Rede hinter sich brachte, weiß, dass
fehlendes Charisma kein exklusives SPD-Problem ist. Daran allein kann
es nicht liegen. Plausibler erscheint, dass das Konzept Volkspartei
in diesem speziellen Fall am Ende ist. Die SPD will viele Interessen
bündeln, doch anders als der Union fehlt ihr die ideologische
Nonchalance, die Merkel geradezu schamlos verkörpert.
Sozialdemokratie - das ist bei allem Pragmatismus ohne einen heißen
Kern von Gewissheiten, ohne den Traum einer besseren Welt nicht
denkbar. Die politische Realität produziert dann zwangsläufig
Enttäuschungen, die der SPD übler genommen werden als anderen.

Die Folge ist eine Erosion bei den Stammwählern, die andere auch
kennen, aber nicht so drastisch. Die Facharbeiterschaft, einst in
Treue fest, ist mehrheitlich zur sozialdemokratisierten CDU
gewechselt. Diejenigen aus dem alten SPD-Pool, die erzwungen oder
freiwillig eine Dauerexistenz im Sozialsystem führen, zog es zu den
Linken, schon weil Lafontaine sie kritiklos hofiert. Schröders "Neue
Mitte" schließlich, die Aufsteigerelite des alten SPD-Milieus, fühlt
sich bei Grünen oder FDP oft wohler.

Die SPD tröstet sich mit Mobilisierungsproblemen, tatsächlich ist
wohl schlicht nicht mehr da. Es ist ein Akt der Ehrlichkeit, wenn
Parteivize Peer Steinbrück seine Ratlosigkeit bekennt. Ewig bleiben
muss das Formtief nicht, aber Wunder dauern auch in der Politik etwas
länger. Der Politologe Franz Walter, ein kritischer Sozialdemokrat,
hält Opposition ohnehin für die latente Sehnsucht einer in
Kompromisszwängen zermürbten, erholungsbedürftigen SPD. Wie es
aussieht, haben die Wähler ein Einsehen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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