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Berliner Morgenpost: Kommentar: Der Senat hat die Berliner ganz bewusst getäuscht

Geschrieben am 17-12-2008

Berlin (ots) - Erinnert man sich daran, welchen Zwecken das
Gelände des heutigen Flughafens Tegel einst diente, ist es weniger
überraschend, dass noch immer reichlich gefährliche Explosivstoffe
auf dem Gelände von Berlins wichtigstem Airport vor sich hinrosten:
bis 1918 Schießplatz für Preußens Artillerie, Anfang der Dreißiger
Jahre startete Werner v. Braun seine ersten Raketenversuche, 1948
bauten die Franzosen im Eilverfahren ihren Flugplatz, der bis 1960
ausschließlich militärisch genutzt wurde. Auch vor und nach dem
Ausbau Tegels zum Zivilflughafen (Eröffnung 1974) hat es keine
flächendeckende Suche nach Kampfstoffresten gegeben. Deshalb ist es
ja wohl auch kein Zufall, dass der Senat schon vor Jahren ein
Gutachten zur Altlastenbewertung in Auftrag gegeben hat. Als Skandal
entpuppt sich nun dagegen, wie die rot-rote Landesregierung mit dem
Ergebnis der Untersuchung ("flächendeckende Kampfmittelberäumung
aller nicht versiegelter Flächen" nötig) umgeht. Und das gleich in
mehrfacher Hinsicht. Seit mehr als drei Jahren hält der Senat das
Gutachten unter Verschluss. Statt so schnell wie möglich zu handeln
und so weit wie möglich alle Munitionsreste aus beiden Weltkriegen
zum Schutz des Flugverkehrs zu bergen (allein beim Bau des neuen
Terminals C wurde tonnenweise Munition ausgebuddelt!), wurden
Warnungen und Handlungsempfehlungen der Studie missachtet. Und damit
explosive Zwischenfälle in Tegel billigend in Kauf genommen. Das ist
für eine Landesregierung unverantwortlich. Der nächste Skandal liegt
in der gezielten Täuschung der Berliner durch den Senat. Damit kommt
noch einmal der Flughafen Tempelhof ins Spiel. Wäre das Tegeler
Altlasten-Gutachten nicht jahrelang zur geheimen Verschlusssache
erklärt, sondern - wie die meisten anderen Gutachten auch -
veröffentlicht worden, hätte der knapp gescheiterte Volksentscheid
über Tempelhof durchaus anders enden können. Denn mit dem Wissen um
die explosive Lage in Tegel wären die Argumente noch überzeugender
gewesen, den Flughafen Tempelhof zumindest bis zur Fertigstellung von
Schönefeld offen zu halten. Wer wie der Senat ein so brisantes
Gutachten in einem so politisch wie emotional aufgeladenen Umfeld
eines Volksentscheids in der Schublade versteckt, muss sich den
Vorwurf der gezielten Manipulation gefallen lassen. Wie bekannt,
wollte der Senat mit aller Macht Tempelhof schließen. Seit dem
Vollzug Ende Oktober gibt es auf Berlins verbliebenen Flughäfen keine
Kapazitätsreserven mehr. Würden aus dem Altlasten- Gutachten endlich
die überfälligen Konsequenzen gezogen, wären die offenkundig nur bei
eingeschränktem Flugbetrieb möglich. Das wiederum würde den
finanziellen Gewinn Tegels schmälern, der so dringend für den Ausbau
Schönefelds gebraucht wird. Deshalb dürfte die Altlastenbeseitigung,
auf die der Senat bei privaten Bauvorhaben peinlichst zu pochen
pflegt, wohl bis zur Schließung auch Tegels vertagt werden. Damit
muss der Senat auch damit leben, dass er die größtmögliche Sicherheit
auf Berlins größtem Flughafen selbst verschuldet nicht garantieren
kann. Das ist noch ein Skandal.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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