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Südwest Presse: Kommentar zu Staatshilfen

Geschrieben am 17-11-2008

Ulm (ots) - Die wirtschaftspolitische Diskussion hat ein neues
Hauptthema entdeckt: die Rolle des Staates im marktwirtschaftlichen
System. Dass der Zusammenbruch des Bankensystems mit allen Mitteln
verhindert wurde, hat eine Kettenreaktion der Begehrlichkeiten
ausgelöst. Der Ulmer Unternehmer Adolf Merckle hofft auf eine
Garantie seines Bundeslandes. Ganz nach dem Vorbild Opels. Mit ihm
soll jetzt ein Konzern außerhalb der Finanzindustrie gestützt werden.
Politiker dienen sich als willfährige Helfer an. Kaum ein
Verbandsvertreter kann sich die Forderung nach staatlicher Stütze
verkneifen - keiner ist um ein Argument verlegen, schließlich geht es
bei allen um Arbeitsplätze und um den Abschwung, der zu verhindern
sei.
Die deutsche Debatte um Staat und Wirtschaft ist von der bekannten
Polarität geprägt. Differenzierungen haben da einen schweren Stand.
Als erstes ist mit einem verbreiteten Missverständnis aufzuräumen.
Kapitalismus und starker Staat - das schließt sich nicht aus, es
bedingt sich sogar. Das Glaubensbekenntnis gerade der viel
gescholtenen Neoliberalen zielt auf die Überzeugung ab, dass
Marktwirtschaft nur dort funktionieren kann, wo Regeln den Rahmen
setzen.
Davon zu trennen ist die Frage, ob der Staat selber zum Unternehmer
wird. Davor ist zu warnen. Es lassen sich kaum Beispiele finden, bei
denen staatliches Management zu - auch im sozialen Sinne - besseren
Ergebnissen geführt hat. Warum auch sollen Beamte bessere
Entscheidungen treffen als es der Markt mit seiner Summe von
Einzelentscheidungen der Menschen tut? Die Deregulierungen, soweit
sie sich auf den Rückzug des Staates als Unternehmer bezogen, haben
weit mehr Nutzen als Schaden gebracht.
Schwieriger wird die Abgrenzung, wenn es um staatliche Hilfen,
Garantien oder Konjunkturprogramme geht. So wie jetzt im Falle Opels.
Sicher ist: Sie dürfen nicht mit der Elle des staatlichen
Rettungsschirms für die Banken gemessen werden. Banken muss der Staat
retten, weil sie ein Grundpfeiler des Systems sind. Opel ist aber nur
einer von mehreren Autoherstellern. Keiner von ihnen kann ein
besonderes staatliches Schutzbedürfnis für sich reklamieren. Für Opel
kann nur das "too big to fail" gelten, das damals Kanzler Gerhard
Schröder im Falle Holzmanns angewandt hat: zu groß für eine Pleite.
So fragwürdig solche Rettungsmaßnahmen unter ordnungspolitischen
Aspekten sind - kein Staat wird sich ihnen ganz versagen können. Es
kommt hier auf die konkrete Ausgestaltung von zeitlich befristeten
und möglichst rückzahlbaren Hilfen an. Ein genereller Schutzschirm
für ganze Branchen kann aber nicht in Frage kommen. Derartiges zwänge
den Staat genau in die Falle hinein, aus der es kein Entrinnen gäbe:
Schutzpatron für alle zu sein, vor allem für die Versager.
Die Innovationskraft begründet die Überlegenheit der Marktwirtschaft.
Dafür ist der Ausleseprozess, wonach das Bessere das Gute verdrängt,
grundsätzlich unabdingbar. Wer diesen Prozess aushebelt, betreibt
Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten des Tüchtigen und Erfolgreichen.
Ohne Wohlfahrtsverluste für alle ist das nicht zu haben.
Die Automobilindustrie hat von einem weltweiten Boom profitiert und
Überkapazitäten aufgebaut, die jetzt in einem schmerzlichen Prozess
abgeschmolzen werden. Hinzu kommen eigene Fehler, die gerade Opel in
Deutschland stetig Marktanteile verlieren ließ. Sich aus dieser
Branchen- und Konzernkrise zu befreien, ist erste Aufgabe des
Unternehmens, nicht des Staates.
Der Staat kann nur ganz begrenzt seine Hilfe anbieten. Nicht weil er
schwach ist, sondern weil er seine Stärke dort bewahren muss, wo nur
er gefordert sein kann: beim Festlegen eines verlässlichen
Ordnungsrahmens.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
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Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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