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Berliner Morgenpost: Ein gefährlicher Präzedenzfall - Kommentar

Geschrieben am 17-11-2008

Berlin (ots) - Etwa jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt
direkt (Produktion) oder indirekt (Zulieferung) vom Wohl und Wehe der
hiesigen Automobilindustrie ab. Wenn diese jetzt - nicht allein, aber
stark beschleunigt - durch die Finanz- und Bankenkrise schwer an
Fahrt verliert, schrillen zu Recht alle Alarmglocken. Mehrere
Zehntausend Arbeitsplätze sind bedroht, und das kurz vor einem
Wahljahr. Doch Vorsicht, Politiker aller Parteien! Wer zu hohe
Erwartungen weckt, wird viele Betroffene enttäuschen. Wer dem Ruf
nach immer mehr Staat folgt, riskiert Wettbewerb und Marktwirtschaft,
auf denen unser aller Wohlstand immer noch basiert.
In Zeiten, da mit staatlichen Milliardenbürgschaften anscheinend nur
so um sich geworfen wird, könnten die eine Milliarde Euro, um die der
Autobauer Opel als derzeit größtes Sorgenkind der Branche bittet,
fast als "Peanuts" erscheinen. Also warum bei den Banken so großzügig
und dem Autobauer möglicherweise so knauserig? Ein Zusammenbruch der
Banken würde den gesamten Zahlungsverkehr und Kreditkreislauf und
damit die Wirtschaft insgesamt kollabieren lassen. Die Krise in der
Finanzbranche ist also von ganz anderem Gewicht als etwa in der
Autoindustrie. Behauptet sich ein Unternehmen im Wettbewerb nicht,
scheidet es aus, aber die besseren bleiben. Der Staat hat nicht die
Aufgabe, sinkende Nachfrage auszugleichen.
Dennoch ist es richtig, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel
gestern mit der Führung von Opel getroffen hat. Immerhin stehen weit
mehr als allein die 25700 Arbeitsplätze bei Opel auf dem
Spiel. Die dürfen nicht tatenlos geopfert werden, nur weil der
US-Mutterkonzern General Motors selbst gegen eine Insolvenz ankämpft.
Aber auch im Fall Opel darf es nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Mögliche Bürgschaften setzen gründliche Prüfungen voraus. Dies hat
Frau Merkel korrekt auch für das Ansinnen der Rüsselsheimer zur
Bedingung gemacht hat. Wenn also Opels Krise nur eine vorübergehende,
der internationalen Finanzkrise geschuldete ist und keiner verfehlten
Markenpolitik oder einer bewussten finanziellen Auszehrung durch den
Mutterkonzern, dann verdient Opel Deutschland Hilfe. Also nur, wenn
sich das Unternehmen dank kurzfristiger staatlicher
Überbrückungshilfe im harten Marktwettbewerb wieder behaupten kann.
Deshalb darf es auch keine Lex Opel geben. Ringt sich der Staat am
Ende zu einer Hilfe durch, muss das für alle anderen Unternehmen
gelten, denen nachweislich allein durch die Finanzkrise eine
Existenznot droht. Ansonsten muss gelten: Wer auf dem Markt versagt,
kann nicht auf den Staat bauen. Deshalb sei die Politik vor allzu
schnellen Hilfsversprechen gewarnt. Sie könnte sich schnell verheben.
Der Fall Holzmann sollte allen eine Mahnung bleiben. Der schon marode
Baukonzern konnte 1999 auch durch eine staatliche Millionenbürgschaft
nicht gerettet werden.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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