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Berliner Morgenpost: Ein Tarifvertrag, der Maßstäbe setzt - Kommentar

Geschrieben am 13-11-2008

Berlin (ots) - Am Ende sind es ein paar Euro mehr geworden. Als
der Senat vor der Sommerpause 50 Euro mehr Gehalt pro Monat für jeden
Angestellten in Berlins öffentlichem Dienst angeboten hatte,
verließen die Gewerkschaften erbost den Saal. Jetzt, vier Monate
später, unterschrieben die Funktionäre die Einigung über 65 Euro. Der
längste Streik in Berlins öffentlichem Dienst ist beendet.
Viel Lärm um wenig also. Der Ertrag war wohl kaum die Nerven von
Kita-Eltern oder Kunden von Bürgerämtern und Kfz-Zulassungsstellen
wert. Aber es ging für beide Seiten ums Prinzip. Mit ihrer Sturheit
stießen Ver.di, GdP und GEW auf einen ebenso dickschädeligen
Senatschef Klaus Wowereit, der fälschlicherweise damit gerechnet
hatte, dass der Kampfesmut seiner frustrierten Untergebenen über die
Sommerpause erlahmen würde. Dass die Gewerkschaften im Herbst noch
einmal mobilisieren konnten, dürfen sie als Erfolg verbuchen.
Politisch können es sich SPD-Landeschef Michael Müller, Innensenator
Ehrhart Körting und die Linkspartei gutschreiben, den
"Basta"-Politiker Wowereit doch noch vom bürgerunfreundlichen
Konfliktkurs abgebracht zu haben.
Politisch war eine Einigung für Rot-Rot zwingend. Niemals wären SPD
und Linke mit dem Ballast eines Streiks in den Bundestagswahlkampf
2009 gezogen. Wer sich bundesweit als Kämpfer für soziale
Gerechtigkeit anpreist, kann sich vor dem Rathaus der Hauptstadt
keine protestierenden Wachpolizisten und Erzieherinnen leisten, die
nur einen Teil dessen forderten, was Kollegen anderswo auch bekommen.
Und die Gewerkschaften mussten reinen Tisch machen, um sich auf die
bundesweiten Tarifrunden vorzubereiten und einen Konflikt zu beenden,
der ihre Tarifgemeinschaft fast gesprengt hätte. Mit dem Abschluss
haben sie sich die komplette Blamage gerade noch erspart.
An einem Punkt setzt der Berliner Tarifvertrag sogar Maßstäbe: Der
gleiche Sockelbetrag für alle kommt überproportional den von
Gehaltsverzicht und Inflation gebeutelten unteren Lohngruppen zugute.
Es wäre ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften, wenn
künftig überall Festbeträge statt prozentualer Lohnerhöhungen
gefordert würden, die den Abstand zwischen Gut- und Niedrigverdienern
nur vergrößern.
Für die Stadt ist ein anderes Element des Abschlusses wichtiger: Er
öffnet einen Korridor für die Rückkehr ins bundesweit geltende,
modernisierte Tarifrecht. Das lässt hoffen, dass beide Seiten
anfangen, an der Zukunft des öffentlichen Dienstes zu arbeiten. Um
die Stadt regierbar und den Staatsdienst bezahlbar zu halten, ist
dringend zu klären, welche Aufgaben wer mit welchem Personal
erbringen soll. Jetzt, da die Kämpfer aus den Schützengräben
gekrochen sind, können sie sich endlich dieser Zukunftsaufgabe
zuwenden - zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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