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Südwest Presse: Kommentar zum Metall-Tarifabschluss

Geschrieben am 12-11-2008

Ulm (ots) - Inmitten mehrerer wirtschaftlicher Krisen haben die
Tarifpartner der Metall- und Elektroindustrie im Pilotbezirk
Baden-Württemberg ihre Chance genutzt. In allerletzter Minute vor dem
bereits heraufbeschworenen Streikszenario brachten sie die gefährlich
zugespitzte Auseinandersetzung um höhere Löhne und Gehälter friedlich
zu Ende. Das ist schon ein kleines Kunststück und beweist zugleich,
dass die Sozialpartner trotz allem öffentlich zur Schau gestellten
rituellen Gehabe ihrer Verantwortung gerechtwerden können.
Wie sehr die erzielte Einigung an einem seidenen Faden hing, mag man
daran erkennen, wie heftig und wie lange seit Dienstag Nachmittag bei
der Verhandlungsrunde in Sindelfingen gerungen worden ist. Mehrfach
wurde kolportiert, dass die Verhandlungen noch platzen könnten. Es
war wie ein Showdown. An dessen Ende steht ein Kompromiss, der formal
beide Seiten das Gesicht wahren lässt.
Ob der Abschluss die Erwartungen der Mitglieder der Gewerkschaft
zufrieden stellt, die in den vergangenen Tagen für die hohe Forderung
von acht Prozent mehr Geld deutschlandweit auf die Straßen gingen,
sei dahingestellt. Sie und die IG Metall sollten sich aber nichts
vormachen. Der Hebel, an dem die Arbeitgeber saßen, wurde zusehends
länger. Mit jedem Tag, den der Streit länger gedauert hätte, wäre die
Verhandlungsmacht der Gewerkschaft dahingeschmolzen.
Krisenzeiten machen es ungleich schwerer, Tarifforderungen
durchzusetzen. Weil das so ist, war es unvernünftig, dass sich die IG
Metall trotz des sich bereits im Sommer abzeichnenden
Konjunktureinbruchs zu einer derart hohen Forderung hat hinreißen
lassen. Das Desaster auf den Finanzmärkten tat dann sein Übriges und
verstärkte die Krise derart, dass sich inzwischen Rezessionsängste
breitmachten und die konjunkturellen Aussichten radikal
verschlechterten. Das waren die Fakten, an denen bei den
Verhandlungen schließlich niemand mehr vorbeigekommen ist und
weswegen ein großer unbefristeter Streik nicht mehr vermittelbar
gewesen wäre.
Kommt hinzu, dass sich in der mit 3,6 Millionen Beschäftigten größten
deutschen Industriebranche die schlechten Nachrichten mehrten. Allen
voran die Automobilindustrie meldete drastische Absatzeinbußen, die
wiederum die Zuliefererbetriebe mit sich rissen. Bei Opel
beispielsweise standen die Bänder drei Wochen still, Daimler schickt
die Mitarbeiter in verlängerte Weihnachtsferien, Zulieferer Bosch
meldete Kurzarbeit an - alles Betriebe, deren organisierte
Belegschaft in der Vergangenheit die Durchsetzungskraft der IG Metall
garantierten.
Natürlich hat Gewerkschaftschef Berthold Huber diese Entwicklung
registriert. Nicht umsonst hat er am Wochenende Entgegenkommen
signalisiert, über längere Laufzeiten gesprochen und über
"Atmungsmöglichkeiten" für jene Betriebe, die in wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten, um im Gegenzug eine größtmögliche Lohnzahl
für sich reklamieren zu können. Verglichen mit der Forderung wirkt
sie im Ergebnis nun eher bescheiden.
Doch sollten auch jene, denen diese Zahl zu niedrig ist, das Ergebnis
in den Gesamtzusammenhang stellen. Das Paket enthält nahezu alle
möglichen Komponenten: für die Beschäftigten Einmalzahlungen als
Teilhabe an den zurückliegenden guten Betriebsergebnissen und ein
verglichen mit einem theoretisch höheren strukturellen Lohnabschluss
mutmaßlich geringeres Arbeitsplatzrisiko; für die Unternehmen
Planungssicherheit dank langer Tariflaufzeit sowie ein hohes Maß an
Beweglichkeit durch eine nicht zu gering erachtende Öffnungsklausel.
Die Tarifpartner haben alle Register gezogen - inmitten der Krise.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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