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Südwest Presse: Kommentar zum Konjunkturprogramm

Geschrieben am 28-10-2008

Ulm (ots) - Wer hat das beste Konjunkturprogramm? Wie ein
aufgescheuchter Hühnerhaufen gackern die Politiker durcheinander und
tun so, als hätten sie das Patentrezept. Abenteuerliche Summen werden
gehandelt: 25 oder gar 50 Milliarden Euro soll der Staat in die Hand
nehmen. Bei den astronomischen Beträgen, die zur Bewältigung der
Kapitalmarktkrise im Raum stehen, ist offenbar bei manchem das Gefühl
für das Sinnvolle und Machbare verloren gegangen. Denn letztlich
haben auch Politiker keine Patentrezepte gegen den Abschwung, auch
wenn sie so tun.
Schon ohne die Finanzkrise ging es mit der Konjunktur bergab. Jetzt
reden alle von der Rezession - und reden sie damit auch herbei, weil
sie die Bürger weiter verunsichern und die Deutschen ohnehin
Katastrophenszenarios lieben. Wo viele Staats-Milliarden die Banken
stützen, erwarten die Bürger auch Hilfe im eigenen Umfeld. Das ist
verständlich, und doch ist zu bezweifeln, ob sie möglich und sinnvoll
ist.
Wichtig sind die Feinheiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
spricht von "investitionsfördernden Maßnahmen" und nicht von einem
Konjunkturprogramm. Denn schon das Wort weckt falsche Vorstellungen.
Dass dieser Weg in der Vergangenheit teuer und eher wirkungslos war,
ist nur bei Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nicht angekommen.
Er redet unentwegt von den großen Steuererleichterungen und beweist
damit einmal mehr seine Inkompetenz. Denn ganz abgesehen davon, dass
er sich kein bisschen um die Finanzierung schert: Dieses Instrument
wirkt nur mit mindestens einem Jahr Zeitverzögerung, also viel zu
spät. Zudem ist zu bezweifeln, ob es die Konsumbereitschaft der
breiten Masse anheizt. Die Absenkung des Grundfreibetrags
beispielsweise würde für viele maximal zehn Euro weniger Steuerabzug
im Monat bedeuten. Das versickert, wenn an anderer Stelle
gleichzeitig die Belastungen etwa für die Krankenkasse steigen.
Geradezu rührend ist, wie sich alle Politiker um die
Automobilindustrie sorgen. Angesichts fast täglicher Hiobsbotschaften
ist das kein Wunder. Auch ist jeder siebte Arbeitsplatz direkt oder
indirekt von ihr abhängig. Nur: Wer kümmert sich um die anderen
Branchen und deren Beschäftigte? Wenn die Autohersteller und
-importeure schon zinsgünstige Kredite der staatseigenen KfW für
Neuanschaffungen fordern, zeigt das nur, dass sie jedes Maß verloren
haben. Warum nicht auch für die Möbelindustrie oder die
Porzellanhersteller? Die leiden genau so unter der Kaufzurückhaltung
der Bürger.
Durchaus sinnvoll wäre eine rasche Neuregelung der Kfz-Steuer nach
den Kohlendioxid-Werten. Nur wird über die schon seit Jahren geredet,
ohne dass etwas passiert ist. Da gilt wie an vielen anderen Stellen:
Taten sind gefragt und nicht nur Palaver. Auf dem richtigen Weg ist
dagegen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), wenn er nach Maßnahmen
sucht, die zusätzlich privates Kapital mobilisieren, ob bei der
verstärkten Gebäudesanierung oder beim höheren Steuerbonus für
Handwerkerrechnungen.
Heute sollen Steinbrück und Glos ihre Ideen dem Bundeskabinett
vorstellen, in einer Woche sollen Beschlüsse gefasst werden. Schon
jetzt ist absehbar, wer gewinnt: Während der Christsoziale mit
unrealistischen Vorschlägen höchstens Hoffnungen bei den Bürgern
weckt, die nur enttäuscht werden können, beweist sich der
Sozialdemokrat als Realist - solange es ihm gelingt, die
Begehrlichkeiten in seiner eigenen Partei zu zügeln.
Das Wichtigste ist, dass die Politiker den Bürgern Mut machen, damit
sie selbst anpacken. Der Staat allein kann nicht für einen neuen
Aufschwung sorgen, auch wenn er im Moment mit der Bankenrettung den
Eindruck erweckt, als könne er alles. Es ist eine Illusion.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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