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Südwest Presse: Kommentar zum Bildungsgipfel

Geschrieben am 21-10-2008

Ulm (ots) - Die Kanzlerin sagt es nicht selbst. Sie lässt es
sagen: Viel entscheidender als alles Geld für die Bildung seien gute
Lehrer. Diese Weisheit streut Kanzleramtschef Thomas de Maizière
derzeit unters Volk, das staunend zur Kenntnis nimmt, mit welchen
Summen die Politik in Berlin seit neuestem zu jonglieren weiß.
Man ahnt, worauf die Öffentlichkeit, worauf Schulen, Wirtschaft und
Eltern eingestimmt werden sollen. Die Erwartungen, die Angela Merkel
mit der Ankündigung geweckt hat, Bildung zur Chefsache zu machen,
dürften sich heute auf dem Bildungsgipfel kaum erfüllen.
Die gerne zitierte nationale Kraftanstrengung droht zu scheitern,
weil zum einen Bund und Länder wie ungezogene Schüler auf dem
Pausenhof herumrangeln. Nur vordergründig geht es darum, wer an
welcher Stelle den Anführer spielen darf. Hauptmotiv sind Eitelkeiten
und Eifersüchteleien: Nicht einmal die CDU-Ministerpräsidenten gönnen
der Kanzlerin einen Erfolg.
Zum anderen deutet herzlich wenig darauf hin, dass man künftig klotzt
statt kleckert. Es wird herumgetrickst. Zehn Milliarden Euro
verspricht Merkel für die nächsten Jahre, darin enthalten sind die
sechs Milliarden der Bildungsministerin Schavan. Ein großer Teil der
Mittel ist seit langem angekündigt und verplant. Das alles ist zu
wenig.
Die Kultusminister wiederum stehen unter dem Druck der
Länderfinanzchefs. Sie beabsichtigen, einen Gutteil des Geldes, das
durch sinkende Schülerzahlen frei wird, nicht für Bildung, sondern
für Lehrerpensionen auszugeben. Man fordert mehr vom Bund, ohne sich
diktieren lassen zu wollen, was man damit macht - und ob man es
überhaupt in Bildung steckt.
Vieles ließe sich halbwegs ertragen, wäre unser Bildungssystem im
internationalen Vergleich nicht nur müdes Mittelmaß und investierten
andere Staaten nicht kräftig in ihre Kindergärten, Schulen und
Hochschulen. Die hiesige Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners
ist so skandalös, weil die Mängel seit Jahren sichtbar sind. Alle
leiden darunter - Schüler, Lehrer, Eltern, Wirtschaft und
Gesellschaft.
Steigen wir in die Niederungen des Alltags hinab: verdreckte
Klassenzimmer, die seit Jahren auf einen frischen Anstrich warten;
stinkende Schultoiletten, die zuletzt in den 70er Jahren renoviert
worden sind; Reagenzgläser, Zeichenmaterial und Übungsbücher, die im
Prinzip vom Schulträger, in Wirklichkeit aber von den Eltern
finanziert werden müssen; Unterrichtsausfall landauf, landab; keine
oder nur dürftige Förderangebote. Und schließlich die groß
angekündigte Hausaufgabenbetreuung für die gestressten G8-Kinder -
bewerkstelligt von älteren Schülern, beaufsichtigt von nur einem
Lehrer.
So sehen Billiglösungen aus, selbst in Baden-Württemberg, das sich
gerne als Musterland präsentiert. Man mag hier etwas mehr ausgeben
als anderswo (man hat ja auch mehr), Spitze ist man deshalb noch
lange nicht. Im übrigen: Wie lange sollen Bildungschancen noch davon
abhängen, in welchem Bundesland ein Kind aufwächst?
Nach der Schule ist der K(r)ampf noch nicht zu Ende. Obwohl in fünf
Jahren, so Experten, 500 000 Akademiker fehlen werden, legt man die
Hürden möglichst hoch. Um die viel zu knappen Studienplätze gibt es
ein Hauen und Stechen. Gleichzeitig leistet man sich Studiengebühren,
die Tausende abschrecken.
Auch ganz unten, wo Eltern ihre Kinder nicht fördern, sortiert man
weiter fleißig aus. Der Gipfel wollte ebenfalls eine Antwort darauf
geben, wie schwache Schüler unterstützt werden können. Doch auch das
ist nur gegen harte Währung zu haben - und wird wohl
Absichtserklärung bleiben. Gute Lehrer braucht das Land, wohl wahr.
Kaum zu glauben, dass man sich um diesen Job nicht reißt.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
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Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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