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Südwest Presse: Leitartikel zu Südwest-Grüne

Geschrieben am 12-10-2008

Ulm (ots) - Der Anti-Atomkraft-Aufkleber dominiert die Bühne und
der Kranz aus gelben Sonnenblumen. Die Delegierten tragen Punklook
mit Tattoo und sorgfältig zerrissenem Netzstrumpf. Die Debatte kreist
immer wieder um Verstaatlichung, Bundeswehr und Prinzipienreiterei
wie die Vereinbarkeit von Amt und Mandat. Das ist doch ein Bild aus
alten grünen Zeiten, lange vor der Erfindung der Realos? Von wegen.
Es ist die ganz aktuelle Kulisse für jene Grünen, die gestern noch
mit der CDU koalieren wollten und der die jüngste Umfrage sagenhafte
17 Prozent der Stimmen zumaß.
Die Chaostage von Schwäbisch Gmünd vermitteln ein ungewohntes Bild:
Wie aus heiterem Himmel sind die Südwest-Grünen mächtig nach links
und in die Vergangenheit gerückt. Sie zerren die alten Feindbilder
hervor und liebäugeln nicht mehr mit der Regierungsfähigkeit, sondern
verarbeiten erst jetzt die mitunter schmerzhaften Jahre der
rot-grünen Berliner Koalition. Sie verdauen noch immer die Kröten,
die sie damals schlucken mussten, vor allem aber gewinnen sie
zunehmend Lust an der Opposition. Wer mehr Geld für
Hartz-IV-Empfänger fordert oder den sofortigen Rückzug aus
Afghanistan verlangt, der findet keinen Partner im Parteienspektrum,
mit dem sich derzeit regieren ließe.
So scheint es. In der Tat sind die Realos schwach wie nie, ist
unverkennbar, dass der linke Flügel der Partei seine Kandidaten
komplett auf die Liste brachte. Sie haben Hierarchien durcheinander
gepuzzelt, Abmachungen in Kampfkandidaturen gebrochen, alte Dogmen
neu diskutiert. Doch ist das gleich ein Linksruck?
Tatsache ist: Die baden-württembergische Landtagsfraktion hat sich
durch den Delegiertenzauber junger, unerfahrener Grüner nicht
verändert. Sie bleibt regierungswillig und regierungsfähig. Tatsache
ist auch: Die Landesliste zur Bundestagswahl ist kein Haufen
politischer Desperados, sondern auf den sicheren Plätzen vorwiegend
mit guten und bereits bewährten Leuten besetzt.
Es stimmt aber auch, dass die Südwest-Grünen ihr Führungspersonal am
Wochenende in einer Art und Weise abgemeiert haben, die über die
Landesgrenzen hinaus negativ ausstrahlt. Die Europakandidaten: ohne
vorbehaltlosen Rückhalt. Die Bundestagskandidaten: halbherzig
unterstützt. Den designierten Bundesvorsitzenden: im Stich gelassen.
Die aktuelle Vorsitzende: zur Aufgabe ihrer bundespolitischen Pläne
gezwungen.
Dahinter kann man ein großes Konzept vermuten, aber auch dieser
Schein trügt. Es ist viel schlimmer: Es gibt ganz augenscheinlich ein
Machtvakuum im grünen Südwesten, das zu eben jenen Beliebigkeiten wie
denen des Listenparteitags führt. Die wichtigste, und wohl auch die
einzige Leitfigur ist Winfried Kretschmann, der Chef der
Landtagsfraktion. Fehlt er, wie durch Krankheit am Wochenende, bricht
das Chaos aus. Die grauen Eminenzen wie ein zunehmend vereinsamender
Fritz Kuhn oder der einstige Gottvater Rezzo Schlauch haben ihre
Autorität verloren. Die Nachfolger Petra Selg und Daniel Mouratidis
sind davon Lichtjahre entfernt. Selg ist geschwächt, weil dramatisch
gescheitert und zur Aufgabe gezwungen; Mouratidis hat die zu große
Aufgabe zu früh angenommen. Beide müssen nun nicht nur versuchen, die
auseinanderstrebenden Flügel zu einen, sondern auch um ihr eigenes
politisches Überleben kämpfen.
Ist Nachwuchs da, gerne auch älteren Jahrgangs? Eher nicht. Die, die
es vielleicht könnten, sind entweder selbst zu gefangen in ihren
Flügeln oder froh, in Berlin zu sein und genügend Abstand zu genießen
von der grünen Basis im Land. Da zieht schweres Wetter auf.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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