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Rheinische Post: In der Krise die Ruhe bewahren

Geschrieben am 06-10-2008

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Soziologen gehören zu jenen Wissenschaftlern, über die gern
gelästert wird, sie seien zu allem fähig, aber zu nichts zu
gebrauchen. Doch diesmal hat die Deutsche Gesellschaft für Soziologie
ein extrem gutes Gespür bewiesen, als sie das Thema für ihre
Jahrestagung in Jena festlegte: "Unsichere Zeiten". Erste Erkenntnis
der versammelten Soziologen: Die Ökonomie sei eine
Bereichswissenschaft, deren Regeln auf die gesamte Gesellschaft
übertragen worden seien. Nun müsse die Politik abfangen, was das
ökonomische System angerichtet habe. Selten lag die Soziologie so
richtig. Die US-Finanzkrise hat längst die Welt erreicht, die
Aktienkurse von Tokio bis Frankfurt stürzen in den Keller, Bankhäuser
verdampfen in der Hitze des Marktes. Anflüge von Panik machen sich
breit. Seltsamerweise weniger bei den Bankern, die die Misere
ausgelöst haben, als vielmehr bei den Politikern, die sie jetzt lösen
müssen.
Nur so ist wohl auch das eilige Eine-Billion-Euro-Versprechen zu
verstehen, das Kanzlerin Angela Merkel und ihr Feldherr in der
Schlacht, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, den deutschen Sparern
zur Sicherung ihrer Einlagen gegeben haben. Wie schlimm mag es
wirklich stehen, fragt man sich, wenn die beiden wichtigsten
politischen Köpfe des Landes in der Krise so frühzeitig ihr Pulver
verschießen? Zumal beide wenige Tage vorher die Iren scharf für den
gleichen Schritt kritisiert hatten? Fest steht, dass die
Bundesregierung ihren sinnvollen Schritt fälschlicherweise national
und nicht international angelegt hat; die erhoffte Wirkung an den
Börsen jedenfalls verpuffte gestern.
Auch die Beruhigung der sparenden Steuerzahler dürfte allenfalls
kurzfristig sein. Zu widersprüchlich sind die Aussagen aus der
Regierung. Wirtschaftsminister Michael Glos etwa mahnte mit Blick auf
die Staatsbürgschaften für die Sparer wie für die existenzbedrohte
Hypo Real Estate Bank, es ergebe "keinen Sinn, wenn der Regenschirm
so groß sei, dass der Bub mit wegfliegt". Anderntags allerdings
erklärte Steinbrück, man brauche einen "noch größeren Schutzschirm".
Das schlimmste an Finanzkrisen aber ist die Angst. Sie schaukelt eine
Krise weiter hoch, bis entweder die Wertpapierpreise so tief fallen,
dass sich neue Investoren finden, oder Börsen geschlossen werden oder
Zentralbanken in noch stärkerem Maße als bisher eingreifen. Deshalb
ist es notwendig, dass die Bundesregierung ihre Maßnahmen um eine
weitere ergänzt: ruhig und mit einer Stimme zu kommunizieren.
Dann könnte es auch gelingen, die Chancen der Krise zu nutzen. So
entsteht durch die derzeitige Schwäche der Finanzindustrie ein
schmales Zeitfenster, um die schlimmsten Auswüchse des
Kapitalmarkt-Casinos einzudämmen. Wenn dies geschieht, ohne den Markt
zu Tode zu regulieren, hätte die Krise ihr Gutes gehabt: Sie hätte
nämlich der Welt eine heilsame Lektion über die Folgen der Gier
erteilt.

Originaltext: Rheinische Post
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Pressekontakt:
Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2303


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