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Südwest Presse: LEITARTIKEL · SIEMENS Gnadenlose Abrechnung

Geschrieben am 29-07-2008

Ulm (ots) - Es ist ein einmaliger Vorgang in der deutschen
Wirtschaftsgeschichte, dass ein Unternehmen seine früheren Vorstände
auf Schadenersatz vor den Kadi zerrt. Es ist auch das Ende der
einstigen Deutschland AG, das die neue Führungs- und Kontrollspitze
bei Siemens mit ihrer Klage einläutet. Denn abgesehen von den sich
auflösenden oder bereits aufgelösten kapitalrechtlichen
Verflechtungen zwischen großen Konzernen galt es zumindest bei vielen
börsennotierten deutschen Gesellschaften bislang als normal, dass die
Vorgänger die Aufsicht über ihre Nachfolger übernehmen und damit ihre
eigenen, zumeist lange wirkenden Beschlüsse kontrollieren. Diese Form
der Ämterteilung wird der Vergangenheit angehören müssen, um nicht
den Eindruck zu nähren, hier werde gemauschelt und vertuscht.
Eben diesem Verdacht sehen sich die früheren Siemens-Vorstände
ausgesetzt. Ehrenwerte Manager, die jetzt viel tiefer fallen als sie
je auf ihrer Karriereleiter gestiegen sind, da gegen sie prozessiert
und teilweise auch staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, da ihnen
nicht nur Strafen drohen, sondern auch Anerkennung entzogen wird und
sie gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt sind - ohne dass ihre
Schuld bereits erwiesen wäre.
Dies muss insbesondere Heinrich von Pierer treffen, den
Ex-Vorstandschef und "Mr. Siemens", der für sein Unternehmen lebte
und bestens von ihm lebte, der gern gesehener Begleiter auf vielen
Politiker-Reisen war, seit ein paar Monaten aber gar nicht mehr gern
in politischen Kreisen gesehen wird.
Dass ein Mann mit seiner unternehmerischen Laufbahn "bestürzt" ist
über die Vorwürfe, lässt sich leicht nachvollziehen. Von Pierer kann
nicht verstehen, dass er sich schuldig gemacht haben soll, da er doch
nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet hat und - wie er sagt - von
nichts gewusst haben will. Aber gerade Letzteres muss er sich
vorwerfen lassen: Dass er eben nichts mitbekommen haben will von
einem System, das nach heutigen Erkenntnissen in einem Jahrzehnt rund
1,3 Milliarden Euro an Schmiergeldern unter die Auftraggeber gebracht
hat. Angesichts dieser Größenordnung, angesichts der vom Münchner
Landgericht festgestellten Systematik ist das nur schwer zu glauben.
Und wenn in einem Unternehmen solche Dinge unbemerkt von der
Führungsmannschaft geschehen können, muss diese sich dann nicht erst
recht den Vorwurf machen lassen, Pflichten verletzt zu haben? Etwa
deshalb, weil beispielsweise Hinweisen auf Verfehlungen nicht
intensiv genug nachgegangen und notwendige Kontrollmaßnahmen nicht
rechtzeitig und nicht im erforderlichem Umfang installiert wurden.
Ganz einfach wird es nicht, sich aus dieser Verantwortung zu stehlen,
vor allen Dingen auch deshalb, weil die gesamte Managerriege in
Deutschland - und auch von Pierer - ihre steigenden Gehälter immer
wieder mit eben dieser wachsenden Bürde der Aufgabe begründeten, der
sie sich zu stellen hätten. Beweist es, kann man ihnen jetzt nur
zurufen.
Das Unternehmen selbst wird sich durch diese Schadenersatzklage
grundlegend verändern, weil sie einen rigorosen Bruch mit der
Vergangenheit darstellt, der dazu führen muss, dass die
Siemens-eigenen Verquastungen und Verästelungen zerschlagen werden.
Da spielt es dann auch keine Rolle, dass die Klage bei weitem nicht
so freiwillig ist, wie es scheinen mag. Denn vor allem der Druck der
US-Börsenaufsicht, die von ihr in Aussicht gestellte
Milliarden-Strafe und die Ankündigung von Siemens-Aktionären in den
USA auf Klagen, sollte der frühere Vorstand nicht in Regress genommen
werden, haben zu dieser gnadenlosen Abrechnung mit der Vergangenheit
geführt.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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