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Südwest Presse: Leitartikel: Schulpolitik Lebhaft bis zum Schluss

Geschrieben am 22-07-2008

Ulm (ots) - Muss der Ravensburger Hauptschulrektor Rudolf Bosch
einen Maulkorb oder gar um seinen Job fürchten?
CDU-Landtagsfraktionschef Stefan Mappus hat dem kritischen Kopf mit
dem Beamtenrecht gedroht und im Nachgang einen heftigen
Koalitionskrach ausgelöst, weil er den FDP-Fraktionsvorsitzenden und
Bosch-Verteidiger Ulrich Noll als "Outlaw" brandmarkte. Der
CDU/FDP-Streit über den Vertreter der Hauptschulkritiker, die mit
ihrer Forderung nach längerem gemeinsamen Lernen vieles angestoßen
haben, zeigt vor allem eines: Man ist gereizt in Stuttgart, sehr
gereizt.
Wenn dem Schulleiter je etwas passieren würde, wären heftigste
Proteste die Folge. Mappus' Drohung lässt tief blicken in die
Geisteswelt eines strukturkonservativen Unions-Politikers. Die
obrigkeitsstaatliche Reaktion passt ganz zu dem bisher gepflegten
Denken auch in der Bildungspolitik: Kritik abperlen lassen, Probleme
aussitzen, auf Altem beharren, Neues kleinhalten und notfalls mundtot
machen. Gerade das kann man sich aber auf diesem Feld nicht mehr
leisten. Die FDP sieht das weitaus klarer, wirft aber bislang völlig
unkoordiniert mit einzelnen Forderungen um sich, die von der
sechsjährigen Grundschulzeit bis zur Abschaffung der
Hauptschulempfehlung in der vierten Klasse reichen.
Das heute abgelaufene Schuljahr war bis zuletzt ein äußerst lebhaftes
- mit all den Protesten und Debatten, die jetzt die eine halbe
Milliarde Euro schwere "Bildungsoffensive" des Landes ausgelöst
haben.
Für den CDU-Kultusminister Helmut Rau war es ein Jahr der bitteren
Lektionen. Er musste lernen, dass das "Weiter so" beim Zukunftsthema
Bildung nicht mehr ausreicht. Ein ums andere Mal wurde Rau von der
Realität eingeholt und erlebte, wie angeblich sichere Gewissheiten
Stück um Stück zerbröckelten. Kritiker etwa stellte Rau stets
reflexhaft in die Querulantenecke - ob Elternvertreter, die über zu
volle Klassen und das überladene achtjährige Gymnasium klagten, oder
Lehrer, die die Ungerechtigkeiten im System anprangerten.
Die "Bildungsoffensive" soll nun vieles von dem beheben, was zuvor
gar nicht als Problem erkannt worden war - die Klassen werden
kleiner, die Ganztagesbetreuung ausgebaut, die Leistung der
Hauptschullehrer, die versuchen, das beste aus der verfahrenen
Situation zu machen, endlich finanziell anerkannt. Ohne den lange
aufgestauten Verdruss und die Wut, die über verschiedene
Demonstrationen und Unterschriftenlisten eine laute Stimme erhalten
haben, würde es dieses Paket nicht geben.
Heutzutage muss die Schule Aufgaben erfüllen, die sich ihr früher
nicht gestellt haben und für die sie noch nicht gewappnet ist. Viele
bildungsferne Eltern fördern ihre Kinder nicht - die Schule muss es
nachholen. Ebenso sollte die Spitze mehr Unterstützung erhalten, denn
der Arbeitsmarkt ruft nach jungen und bestausgebildeten Menschen. Die
Schule ist auch dafür da, das gerät mehr und mehr in Vergessenheit,
Kinder gut und breit und jenseits eines ganz bestimmten Zweckes zu
bilden und zu mündigen und sozialen Menschen zu erziehen. All diese
Aufgaben werden drängender. Das Bildungsprogramm ist ein Anfang, nun
muss der schulpolitischen Landschaft neues Leben eingehaucht werden.
Mit dem Geld lässt sich manches machen, die Hauptschule aber wird auf
Dauer nicht zu retten sein. Auch ein Erfolg dieses Schuljahres ist,
dass nicht nur über pädagogisches Kleinklein diskutiert wird, sondern
über die große Frage, wie Kinder am besten lernen und wie alle die
besten Chancen erhalten.
Nach den Ferien und ausreichender Erholung für manch nervösen
Politiker gilt es, auch in dieser Frage starre Strukturen
aufzubrechen.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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