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Der DUH-Artenschutz-Fall des Tages (Teil 3): Niedersachsens Umweltminister geht mit Kettensäge auf FFH-Naturschutz-Gebiet los

Geschrieben am 22-05-2008

Berlin (ots) - Teil 3 der DUH-Serie zum Stand des Naturschutzes in
Deutschland anlässlich der UN-Biodiversitätskonferenz: Der
niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) legt mit
der Kettensäge höchstpersönlich Hand an an ein Naturschutzgebiet in
der Elbtal-Aue - Eine Beschwerde der DUH bei der EU-Kommission
verhindert die weitere Zerstörung des Auwaldes - Die EU-Kommission
leitet daraufhin Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein
und wirft Sander Verstoß gegen die "Verpflichtung zur loyalen
Zusammenarbeit" vor - DUH fordert zur UN-Konferenz die Bundesländer
zur Einhaltung internationaler Schutzgebietskriterien auf.

Berlin, 22. Mai 2008: In Waldarbeiterkluft, mit ordentlichem
Overall, Helm und Ohrenschutz schritt der niedersächsische
Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) zur Tat. Bewaffnet mit
einer Kettensäge streckte er in der besonders geschützten C-Zone des
Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" am 29. November 2006
eine ufernahe Weide nieder. Sander vollstreckte mit der
Kettensägenaktion eigenhändig einen von ihm selbst ergangenen Erlass,
der die Abholzung der Weichholzauen auf einer Strecke von insgesamt
25 Kilometer Uferlinie entlang der Elbe im Biosphärenreservat
ermöglichte. Nach seiner Auffassung diene die Brachial-Entwaldung der
Uferzone dem Hochwasserschutz, da das Wasser ohne die
Barrierenwirkung biegsamer Weiden zwischen den Deichen schneller
abfließen könne. Diese Meinung des niedersächsischen Umweltministers
ist jedoch fachlich umstritten: Allgemein gilt, dass Auwälder einen
guten Schutz gegen Hochwasser bilden, da sie das Wasser der über die
Ufer tretenden Flüsse binden und den Abfluss über einen längeren
Zeitraum strecken. Uferbegleitende Auwaldstreifen schützen zudem die
Hochwasserdeiche. Sie haben somit in Europa eine ähnliche
Schutzfunktion gegen Hochwasser wie Mangrovenwälder an den Küsten
asiatischer Länder.

In Europa zählen Auenwälder zu den "Hotspots" der Artenvielfalt.
Die an eine verkleinerte Ausgabe der Regenwälder erinnernden Hart-
und Weichholzauwälder sind Lebensraum für ca. 10.000 Tier- und
Pflanzenarten. Heute gilt dieser Lebensraumtyp in Deutschland als vom
Aussterben bedroht. Nur noch ein verschwindend kleiner Teil hat
überlebt. "Vordringliche Aufgabe muss es daher sein, die Restbestände
nachhaltig zu sichern und neue Auwälder wieder entlang unserer Flüsse
zu pflanzen", mahnt Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz der
Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).

"Das niedersächsische Naturschutzrecht verpflichtet die
Landesbehörden dazu, sicher zu stellen, dass die vom Landtag
beschlossenen Schutzvorschriften für den Naturhaushalt eingehalten
werden. Dass der qua Amt oberste Naturschützer eines Bundeslandes
eigenhändig zur Kettensäge greift, um gegen Recht und Gesetz die
Natur zu zerstören, ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte
der Bundesrepublik", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Die DUH hat unmittelbar nach den rechtswidrigen Eingriffen Beschwerde
bei der EU-Kommission eingelegt, woraufhin Brüssel Ende März 2007 ein
Vertragsverletzungsverfahren (nach Artikel 226 EG-Vertrag) gegen die
Bundesrepublik Deutschland einleitete. Fast ein Jahr schwebte das
Verfahren, in dem Sander noch dazu wegen nachweislich falscher
Auskünfte ein Verstoß gegen die "Verpflichtung zur loyalen
Zusammenarbeit" mit der EU-Kommission vorgeworfen wurde, über
Deutschland. Es wurde von der EU-Kommission erst im Januar 2008
eingestellt, nachdem das Land Niedersachsen nach zweimaliger
Aufforderung rechtsverbindlich zugesichert hatte, sich in Zukunft an
EU-Naturschutzrecht halten zu wollen.

"Solche eigenmächtigen Aktionen von Landesministern schaden der
Autorität Deutschlands bei internationalen Verhandlungen über Natur-
und Artenschutz wie jetzt auf der UN-Konferenz in Bonn", sagt Baake.
"Deutschland will und muss als Gastgeber der
UN-Biodiversitätskonferenz einen Erfolg für den Schutz der
biologischen Vielfalt weltweit erreichen. Nur mit einem starken
Mandat können die Detailverhandlungen in den nächsten zwei Jahren zu
einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Daran wird Deutschland
gemessen werden und zu dieser nationalen Aufgabe sollten alle
politisch Verantwortlichen in diesem Land beitragen."

Niedersachsens Umweltminister Sander hatte sich zu dem Kahlschlag
im Auwald selbst ermächtigt. Nachdem eine entsprechende Aufforderung
der ihm unterstellten unteren Wasserbehörde im Landkreis
Lüchow-Dannenberg an rund 300 Eigentümer, elbnahe Grundstücke von so
genanntem Auengehölz zu befreien, praktisch ohne Resonanz geblieben
war, griff er selbst zur Kettensäge. Laut einem entsprechenden Erlass
des Umweltministeriums sollten auf insgesamt etwa 25 Kilometer
Elbufer in der besonders geschützten C-Zone die Weichholzauen
weitgehend verschwinden. Es handele sich um eine
"Hochwasserschutzmaßnahme". Das Gesetz über das Biosphärenreservat
"Niedersächsische Elbtalaue" verbietet in der C - Zone jedoch
ausdrücklich alle Handlungen, die den Gebietsteil oder auch nur
einzelne Bestandteile zerstören. Es gab auch weder Freistellungen
oder Ausnahme-Tatbestände, noch hätte es sie geben können, wenn der
Minister sie zuvor beantragt hätte. Denn die pauschale Aussage, dass
von Weiden und Pappeln im Überflutungsraum eine erhöhte
Hochwassergefahr ausgehe, war von Wissenschaftlern des Instituts für
Wasser- und Gewässerentwicklung der Universität Karlsruhe auf
Veranlassung der DUH bereits im Frühjahr 2005 überprüft und für
"nicht haltbar" erklärt worden.
___________________________________________________________________
Die DUH-Serie zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland

In Bonn präsentieren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Artenschutzkonferenz
als Kämpfer für die weltweite Biodiversität. Die Deutsche Umwelthilfe
begrüßt ausdrücklich das Engagement der Bundesregierung für den
weltweiten Arten- und Naturschutz, ist aber besorgt über die
mangelnde Umsetzung von Zielen zum Schutz der Biodiversität in
Deutschland. Bislang schaffen Bund und Länder es nicht, dem Natur-
und Artenschutz innerhalb Deutschlands zu seinem Recht zu verhelfen.
So liegt Deutschland innerhalb der Europäischen Union im letzten
Drittel bei der Ausweisung von Schutzgebieten nach der
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die einen Mindeststandard für
den Schutz bedrohter Tiere und Pflanzen bildet. Deutschland hat aber
nicht nur extrem wenig Gebiete unter den FFH-Schutz gestellt, der
Zustand der Gebiete "befindet sich in einem ungünstigen
Erhaltungszustand", wie das Bundesamt für Naturschutz im Januar 2008
festgestellt hat.

Für die Ausweisung und Pflege der FFH-Gebiete sind ebenso wie für
den Naturschutz die Bundesländer zuständig. Dort hat die
Biodiversität oftmals keinen hohen Stellenwert: Niedersachsens
FDP-Umweltminister Sander greift im Biosphärenreservat Elbe
eigenhändig zur Kettensäge, Baden-Württemberg genehmigt die Tötung
der international geschützten Kormoranbrut am Bodensee, Bayern
schießt den einzigen Braunbären im deutschen Alpenraum ab.

Die DUH unterstützt nachdrücklich die nationale
Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Dieses im
Bundeskabinett verabschiedete Programm für die biologische Vielfalt
in Deutschland ist jedoch nichts wert, solange die Strategie nicht
praktisch umgesetzt wird. Die DUH ist in großer Sorge um heimische
Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume. Um der auch hierzulande
bedrohten Natur eine Stimme zu geben, veröffentlicht die DUH während
der UN-Biodiversitätskonferenz regelmäßig einen Artenschutz-Fall des
Tages aus Deutschland. Quer durch die Republik haben wir zwischen
Nordsee und Alpen, Müritz und Bodensee Beispiele für die Zerstörung
unserer Natur zusammengetragen.

Bisher erschienen: Sachsen-Anhalt schrumpft das Biosphärenreservat
Flusslandschaft Elbe; Baden-Württemberg genehmigt rechtswidrig Tötung
von geschützten Kormoranen im Naturschutzgebiet.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-15, Mobil: 0151
55 01 69 43, baake@duh.de

Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Mobil: 0160 8950556, neuschulz@duh.de

Ulrike Fokken , Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-22, Mobil:0151
55 01 70 09, fokken@duh.de


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