(Registrieren)

WAZ: Armutsbericht - Das Blendwerk von der Gleichheit - Leitartikel von Thomas Wels

Geschrieben am 19-05-2008

Essen (ots) - Da ist sie wieder, die Arm-Reich-Debatte im
Schwarz-Weiß-Format: Wie 2001 und 2005, als die Regierung einen
Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt hat, ist das Erschrecken über
die Statistik groß: Arme werden ärmer, Reiche werden reicher. Diesmal
aber ist der Schrecken besonders groß.

Offenbar empfinden die Bürger Ungleichheit zunehmend als
ungerecht, und das hat mehrere Gründe: weil Top-Manager aus
Steuerparadiesen eine Nase drehen, weil Führungskräfte die Bank
verspielen und dennoch Millionäre sind, weil Konzerne von heute auf
morgen verschwinden, wenn Löhne anderswo günstiger sind, weil -
kurzum - ein großer Teil der Leute im Lande D den Eindruck hat, vom
Staat, von Energie- und Ölgesellschaften und neuerdings allgemein von
den Reichen über den Löffel barbiert zu werden. Die Ehrlichen haben
das Gefühl, die Dummen zu sein. Und das ist für jedes Gemeinwesen ein
äußerst problematischer Befund. Die vermeintliche Elite macht es
Populisten leicht, Gleichheit als erstrebenswertes Ziel erscheinen zu
lassen, ganz so, als wäre die sozialistische Staatswirtschaft nicht
gescheitert.

Der Armutsbericht ist Wasser auf deren Mühlen. Armut in einer der
reichsten Volkswirtschaften der Welt - das ist doch ein Skandal. Ist
es, selbst wenn man von relativer Armut zu sprechen hat, Deutschland
ist nicht Afrika. Armut allein mit Hilfe des Rechenschiebers am
mittleren Einkommen zu messen, aber ist nicht besonders intelligent.
Dieser Wert ist genau der Betrag, bei dem 50 Prozent der Bürger mehr
und 50 Prozent der Bürger weniger Geld zur Verfügung hatten. Wer
weniger als 60 Prozent davon hat - 871 Euro netto für Alleinstehende
- gilt als arm. Diese Rechnung ist grundsätzlich verzerrend, denn
Einkommenssteigerungen der unteren Hälfte schieben den Mittelwert
nach oben, womit rechnerisch mehr Leute als arm gelten;
Einkommenseinbußen von Reichen drücken den Mittelwert, womit die
Armut abnimmt.

Eine Handlungsanleitung aus dem Bericht herauszulesen, ist
schwierig, zumal die Zahlen aus 2005 stammen, mithin Hunderttausende
neue Stellen und die jüngsten Lohnerhöhungen nicht berücksichtigt
sind. Ob es Armen, hier vornehmlich alleinerziehenden Frauen mit
ihren Kindern, nützt, wenn "Reiche" ins Visier geraten, ist zu
bezweifeln. Die reichsten zehn Prozent (ab 120 000 Euro
Jahreseinkommen) steuern 55 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei,
die ärmere Hälfte der Bevölkerung 5,1 Prozent. Eine Umverteilung -
auch dank der Ungleichheit. Die Armutsdebatte hat eine differenzierte
Argumentation verdient.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

137757

weitere Artikel:
  • Allg. Zeitung Mainz: Kommentar zu Staatstrauer in China Mainz (ots) - China zeigt Mitgefühl. So selbstverständlich aus europäischer Sicht die Anteilnahme der Staatsspitze am Leid ihrer Untertanen ist, so wenig ist sie das im kommunistischen Riesenreich selbst. Dort gab es Zeremonien wie am gestrigen Montag mit Schweigeminuten und Flaggen auf Halbmast bislang nur beim Tod von Bonzen allererster Ordnung. Nach Angaben von Korrespondenten ist aufrichtige Trauer aber auch überall in der Bevölkerung zu spüren, die sich derweil trotzig Mut macht, das Riesenspektakel Olympische Spiele nun erst recht mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Kommentar zu Köhler Mainz (ots) - Die SPD bietet ein konfuses Bild. Bundesaußenminister Steinmeier will den Dalai Lama nicht empfangen, seine Parteifreundin Heidemarie Wieczorek-Zeul dagegen will und tut es. Der Parteivorsitzende Beck hat von letzterem angeblich nichts gewusst und ist deswegen sauer. In der Bundespräsidenten-Frage setzt sich das Chaos fort. Die Parteispitze erklärt zunächst, man werde keinen eigenen Kandidaten gegen Köhler ins Rennen schicken. Daraufhin murren einige Genossen, und schon ist wieder alles offen. Sodann redet die SPD mit Gesine mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Armutsbericht Halle (ots) - Der wahre Skandal ist, dass Armut in Deutschland bedeutet, zu wenig Aufstiegsmöglichkeiten zu besitzen. Laut der Pisa-Studie hat selbst bei gleichem Wissensstand und Lernvermögen ein 15-Jähriger Schüler aus reichem Elternhaus eine vier Mal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen, wie ein Gleichaltriger aus einer ärmeren Familie. Wer Armut bekämpfen will, muss mehr in die Bildung aller Kinder investieren. Neben Geld wird auch eine gehörige Portion Optimismus benötigt. Nur ein Land, in dem nicht ständig die Angst vor dem mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Debatte über Armut in Deutschland: Biedermann und Brandstifter Cottbus (ots) - Armut in einem der reichsten Länder der Erde ist auch immer ein Armutszeugnis für die herrschende Politik. Sie hat bei der Herstellung von Gerechtigkeit versagt. Kein Wunder, dass die Bundesregierung ihren jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht deshalb eher verschämt in die Öffentlichkeit tröpfeln lässt. Insbesondere für die SPD ist er eine schallende Ohrfeige. Schließlich sitzt sie schon seit zehn Jahren an den Schalthebeln der Macht. In dieser Zeit ist die Kluft zwischen Arm und Reich stetig gewachsen. Dabei hat die Zahl mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Der Dalai Lama in Deutschland: Ein altes Dilemma Cottbus (ots) - Die Schwierigkeiten der deutschen Sozialdemokraten mit dem Besuch des Dalai Lama mögen auch dem gegenwärtigen Zustand der Parteispitze geschuldet sein. Sie offenbaren allerdings ein Dilemma, das seit vielen Jahren schon anhält: Die SPD hat als Regierungspartei kein klares Verhältnis zu Diktaturen und setzt sich wieder und wieder dem Risiko aus, ein laxer, allzu kompromissbereiter Verteidiger der Menschenrechte zu sein. Dies aber hat nicht nur für das Bild der ältesten demokratischen Partei Deutschlands eine verheerende mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht