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Rheinische Post: Die Koalition der Ungeschickten Kommentar VON SVEN GÖSMANN

Geschrieben am 09-05-2008

Düsseldorf (ots) - Erst an den Kaffeetischen dieses
Pfingstwochenendes werden die Nachrichten der vergangenen Woche ihre
volle destruktive Kraft entfalten: die im Eilverfahren beschlossene
Erhöhung der Diäten für Bundestagsabgeordnete um 16 Prozent. Oder die
Tatsache, dass ausgerechnet die Umweltminister in Bund und Ländern
300-PS-Karossen nutzen, während der Benzinpreis
Nicht-Dienstwagennutzern mit mehr als 1,50 Euro weh tut. Oder der
schamlose Wechsel des Chefs der Eisenbahner-Gewerkschaft in den
Bahn-Vorstand. Für sich genommen, wäre jede Nachricht noch als
untypisch abzutun. Doch die Summe der Ungeschicklichkeiten nährt die
Zweifel an der der Sensibilität unserer politischen Klasse. Beispiel
Diätenerhöhung. Wir brauchen gutes politisches Personal. Der
Verdienst ist gewiss nicht das erste Motiv, sich politisch zu
engagieren, sondern der Gestaltungswille. Deshalb ist es angemessen,
dass die Abgeordneten des Parlaments, die die Gesetze gestalten, so
viel verdienen wie Bundesrichter, die mit Hilfe dieser Gesetze
urteilen sollen. Doch warum wird die juristisch einwandfreie
Anpassung der Abgeordnetenbezüge klammheimlich vorbereitet? Warum
wird nicht offensiver mit dem Argument geworben, das jeder in der
Wirtschaft Tätige nur gutheißen kann: dass man für das Erzielen guter
Ergebnisse gute Leute braucht und die eben gutes Geld kosten. Es ist
nicht der Vorgang an sich, sondern der Stil, mit dem er vollzogen
wird, der Unmut hervorruft. Warum geben die Umweltminister, die die
Bürger mit immer neuen Schreckensszenarien des vermuteten
Klimawandels zum Energiesparen zwingen wollen, nicht ein gutes
Beispiel? Sie sollen ja nicht zu Fuß gehen, aber sie könnten doch
einmal mit jenen Hybridautos fahren, die sie ihren Wählern ständig
empfehlen. Warum sagt es in der Eisenbahner-Gewerkschaft keiner dem
eigenen Vorsitzenden, dass es anrüchig ist, wenn er schneller als ein
ICE die Seiten wechselt und einen gut dotierten Job im Bahnvorstand
antritt, mit dem er jüngst noch Tarifverträge aushandelte? Warum
greift im Aufsichtsrat des Noch-Staatsunternehmens Bahn niemand ein,
wenn der Bahnchef diesen Deal einfädelt? Es ist Selbstvergessenheit
und Bürger-Geringschätzung, die sich in den genannten Beispielen
ausdrückt. Erst sie schafft den Resonanzboden für jene
Politikverdrossenheit, die sich in undurchdachtem Protest oder in
Wahlenthaltung artikuliert. Dabei braucht gerade unsere dem globalen
Veränderungsdruck unterliegende Gesellschaft nichts mehr als die
engagierte Teilnahme möglichst vieler. Ein Trost: Die Kontrolle durch
die öffentliche Meinung funktioniert, und die anhaltende Debatte über
jede der Nachrichten beweist, dass auch die Selbstreinigungskräfte
des politischen Systems durchaus noch vorhanden sind. Jeder einzelne
Sachverhalt ist zu korrigieren. Es ist Zeit, dies zu tun.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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