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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kinderbuch »Wo bitte geht's zu Gott?«

Geschrieben am 05-03-2008

Bielefeld (ots) - Ob der Mensch aus der Geschichte lernt, ist,
gelinde gesagt, fraglich. Wir Deutschen treten natürlich gerne an,
der Welt das Gegenteil zu beweisen, und manchmal klappt's, ein
andermal geht der Schuss nach hinten los. Im Fall des Kinderbuchs »Wo
bitte geht's zu Gott?, fragte das kleine Ferkel« kombinieren wir
beides.
Im Rechtsstaat verbietet man, erstens, kein Buch, wie problematisch
sein Inhalt immer sein mag - und das hat ja auch im vorliegenden Fall
niemand gefordert. Glückwunsch. Zweitens aber wurde gleich nach
Erscheinen der moralische Overkill eingeleitet: Antisemitismus!,
schrieen sie, und seither staunen sie, dass sich die Argumente der
Streithähne stracks im intellektuellen Nirwana verlieren.
Im Antrag des Bundesfamilienministeriums auf Indizierung werden -
anstandshalber - alle drei Weltreligionen als Opfer der Häme erwähnt,
jedoch zitiert das Ministerium ausschließlich die Angriffe auf das
Judentum, um schließlich die finale Breitseite abzufeuern:
»Rassenhass«, bumm! Und »antisemitische Tendenzen«, krawumm! Im
Internet haben sich bereits die gegnerischen Bataillone formiert, und
auch hier sind stramme Kanoniere am Werk: Der Eifer, mit dem die
Kirche ihr »Monopol im Kinderzimmer« (?) verteidige, erinnere ihn an
die Verfolgung der Ketzer, geifert Michael Schmidt-Salomon, der
Texter des Ferkelbuchs. Ein anderer schmäht Ursula von der Leyen als
»christliche Fundamentalistin«, ein Hamburger Kinder- und
Jugendpsychiater greift zum Rezeptblock und verschreibt das Buch als
»pädagogisch besonders wertvolles Gegengift zu religiöser
Indoktrinierung«.
Wer jedoch die Chance hat, einen Blick in das Ferkelbuch zu werfen,
wird, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, erstaunt feststellen,
wie ärmlich Text und Bilder geraten sind. Außer zähnefletschenden
Bischöfen, Rabbis und Muftis, außer protoaufklärerischer
Sperrholz-Grammatik nämlich ist dem Duo Schmidt-Salomon und Helge
Nyncke (Zeichner) nichts eingefallen. Aus »ästhetischen Gründen«
nicht ins Kinderzimmer lassen, empfahl die »Süddeutsche Zeitung«
süffisant, und dieser Meinung darf man sich ruhigen Gewissens
anschließen.
Nun ist der aktuelle Fall ja nicht einfach so vom Himmel gefallen.
Seit den 70er Jahren bereits grassiert die Pest, die Pest des
belehrenden Kinderbuchs. Als einer der ganz frühen Kinderaufklärer
brachte sich damals der TV-Talker Dietmar Schönherr in Stellung und
wollte den Kleinen weismachen, die bösen Fabrikanten hätten es
verboten, auf dem Rasen zu spielen, weil sie ungestört Profit machen
wollten. Seither ist die kindliche Bücherwelt von Kreaturen
bevölkert, die entweder doof oder gemeingefährlich sind.
Nur die Kinder selbst sind nicht doof. Wenn ihre Eltern sie lassen,
greifen sie ganz von allein zu moralfreien Klassikern wie »Pu der
Bär« und dem »Räuber Hotzenplotz«. Dessen Pfefferpistole ist auch
schon das Gefährlichste, was man sich in jungen Jahren ausmalen
möchte.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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