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LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Kreisreform in Sachsen

Geschrieben am 23-01-2008

Leipzig (ots) - Von Bernd HilderMilbradts SiegFür Sachsens
angeschlagenen Ministerpräsidenten Georg Milbradt war es ein
hervorragender Tag. Allen Bedenken von Kritikern und der Opposition
sowie Protesten mancher Bürger zum Trotz gab die schmale
Landtagsmehrheit von CDU und SPD grünes Licht für die politisch
heftig umstrittene Kreisreform. Es kam, wie es kommen musste: Die
Hand voll Reformzweifler in den Koalitionsreihen brüllten wie Löwen,
ließen sich schließlich aber wie mit dem Teppichklopfer behandelte
Bettvorleger in die Fraktionsdisziplin einbinden. Zu viel steht vor
den Kommunalwahlen auf dem Spiel: Die Glaubwürdigkeit der
Koalitionsparteien, die Koalition selbst und vielleicht auch das
politische Überleben des Ministerpräsidenten und seines über heikle
Fragen meistens hinwegschweigenden sozialdemokratischen
Stellvertreters Thomas Jurk. Dies ist ein Sieg, den Milbradt nach
diffusen Sachsen-Sumpf-Turbulenzen, einem mäßigen Ergebnis bei der
Wiederwahl zum CDU-Landeschef und dem Notverkauf der einst stolzen
Landesbank dringend braucht - und den er mit erstaunlich stoischer
Gelassenheit und unnachahmlicher Dickköpfigkeit erkämpft hat. Der
Triumph verschafft ihm politisch Luft - zumindest vorübergehend.
Wie groß der dauerhafte Flurschaden durch ungelenke
Reform-Trampeleien sein wird, ist unklar. Manche Wunde aus dem Kampf
um Kompetenzen und Kreissitze wird nur schwer verheilen. Dies gilt
besonders für die Region Leipzig, die vom zuständigen Innenminister
Buttolo systematisch benachteiligt wurde. Nur noch zwei von zehn
Kreissitzen liegen im heruntergestutzten Regierungsbezirk Leipzig.
Weil Leipzig im Dresdner Kabinett nicht vertreten ist und wird und
weil in den politischen Hinterzimmern das Erzgebirge und die Lausitz
den Ton angaben, ist das Machtgefüge der drei sächsischen
Großregionen um Dresden, Leipzig und Chemnitz herum nicht mehr im
Lot. Buttolo, viel mehr Beamter als Politiker, hätte den Ärger mit
einigen einfachen Federstrichen vermeiden können, doch ihm fehlt das
Gefühl für das Austarieren von Interessen. Am Ende kam die
Landesregierung nicht mehr vom falschen Bock herunter. Wahr ist aber
leider auch, dass die Verantwortungsträger der Region Leipzig den
Zeitpunkt zum Handeln verpennten und erst Sturm liefen, als die Sache
schon ohne sie eingetütet worden war.
Die Notwendigkeit einer Verwaltungs- und Kreisreform angesichts der
spürbar sinkenden Bevölkerung in Sachsen und den damit verbundenen
Sparzwängen ist unumstritten. Kein Ministerpräsident handelt
diesbezüglich zum Landeswohl so vorausschauend wie Milbradt. Besser
wäre aber eine Reform gewesen, bei der die Bürgernähe nicht auf der
Strecke bleibt. Man hätte mehr Landkreise erhalten können, die
personalsparend Ämter hätten zusammenlegen müssen. Die Aufgaben der
Regierungspräsidien hätten auf die Ministerien und die Landkreise
verteilt werden können. Warum sollen Landräte eigentlich noch direkt
vom Volk gewählt werden, wenn sie nicht mal mehr mit Ferngläsern zu
entdecken sind? Wegen der zeitraubenden Entfernungen werden noch mehr
dafür freigestellte Beamte in die Kreistage einziehen - und immer
weniger Arbeitnehmer und Selbstständige: mit entsprechenden Folgen
für das überregulierte Leben. Wer wirklich mal von Delitzsch nach
Torgau ins Landratsamt muss, kommt ohne einen Urlaubstag nicht mehr
hin und zurück.
Die Politik hat gesprochen, jetzt sind die Gerichte an der Reihe.
Dass die Reform mit Klagen noch gestoppt wird, ist jedoch sehr
unwahrscheinlich. Denn allem Anschein nach wurden in Dresden grobe
juristische Schnitzer wie kürzlich bei der Gebietsreform in
Mecklenburg-Vorpommern vermieden. Das neue Sachsen ist Realität.
@hilder.office@lvz.de

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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