(Registrieren)

Austausch von Diesel-Betrugsfiltern ist zum Erliegen gekommen

Geschrieben am 12-12-2007

Berlin (ots) -

- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und ist unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Im Rußfilterskandal nutzen Hersteller unwirksamer Filter und
Werkstätten Gabriel-Entscheidung zum Nichtstun - Urteilsbegründung
des Verwaltungsgerichts Dessau widerlegt Argumentation des
Umweltministeriums - Geplante Beibehaltung von Steuernachlass bei
Betrugsfiltern "eindeutig rechtswidrig"

12. Dezember 2007: Zwei Wochen nachdem Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel eine ´Gemeinsame Erklärung´ der Verbände des
Kraftfahrzeuggewerbes und des Autoteilehandels öffentlich als Ausweg
aus dem Skandal um funktionsuntüchtige Dieselfilter präsentierte, ist
der Austausch der Betrugsfilter praktisch zum Erliegen gekommen.
Mittlerweile haben sich mehrere hundert Fahrzeughalter an die von der
Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) eingerichtete Info-Hotline gewandt
und erklärt, dass ihre jeweilige Werkstatt den kostenfreien Austausch
verweigert, auch wenn Ersatzsysteme am Markt verfügbar sind. "Die so
genannte Kulanzregelung ist miserabel ausgehandelt, sie ist klar
rechtswidrig und verschlechtert darüber hinaus den Rechtsanspruch der
betroffenen Autohalter auf einen kostenlosen Austausch", bilanzierte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Während die Werkstätten bis zum 28. November, dem Tag der
Verkündung der "Kulanzregelung", betroffenen Autofahrern auf Anfrage
noch mehrheitlich unwirksame Filtersysteme der Hersteller GAT,
Tenneco/Walker, Bosal und Ernst Apparatebau kostenfrei durch
funktionierende Partikelfilter ersetzten, ist die Bereitschaft zum
Austausch nun schlagartig verflogen. Grund: Die Werkstätten fürchten,
auf ihren Kosten sitzen zu bleiben, weil die Hersteller der vom
Kraftfahrtbundesamt (KBA) gesperrten funktionsuntüchtigen Filter die
Entscheidung des Bundesumweltministers, wonach Steuervorteile und
Feinstaubplaketten in jedem Fall erhalten bleiben sollen, nutzen, um
sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das Unternehmen GAT, das den
Löwenanteil der Betrugsfilter in Umlauf brachte, erklärte nur Stunden
nach der nach DUH-Überzeugung eindeutig rechtswidrigen Entscheidung
des Bundesumweltministers gegenüber den Werkstätten, man werde in
keinem Fall Kosten für den Austausch von Filtern anderer Hersteller
übernehmen.

Seither verweigern die Werkstätten praktisch flächendeckend den
Sofortaustausch unter Verweis auf die Entscheidung der
Bundesregierung, für die funktionsuntüchtigen Systeme blieben
Steuervorteil und Umweltplakette erhalten. Autohalter, die dennoch
den Austausch verlangen, werden vertröstet. Die Betrugsfilter könnten
nur durch andere Systeme der jeweils selben Hersteller ersetzt
werden, die irgendwann im Jahr 2008 verfügbar seien. Ein typischer
Hilferuf an die DUH: "Laut Auskunft der Werkstatt gibt es noch keine
geeigneten Austauschfilter und außerdem könne ich ja die Plakette
bzw. den Steuervorteil behalten".

Inzwischen liegt auch die Begründung des Urteils des
Verwaltungsgerichts Dessau schriftlich vor, in dem das Gericht das
Umweltbundesamt - und mit ihm das Bundesumweltministerium - Ende
November dazu verpflichtete, der DUH Untersuchungsergebnisse über
nicht funktionstüchtige Filtersysteme aus dem Jahr 2006
auszuhändigen. Darin widerlegt das Verwaltungsgericht
unmissverständlich die Behauptung von Bundesumweltminister Gabriel,
zu der jahrelangen Verzögerung bei der Aufklärung des
Filter-Desasters sei es gekommen, weil das Umweltbundesamt entgegen
der Anweisung aus dem BMU kein Forschungs- und Messprogramm auf Basis
der staatlichen Prüfvorschrift für Nachrüst-Filter (Anlage XXVI zur
StVZO) habe durchführen lassen. Das Gericht stellt in seiner
Begründung klar, dass Messungen entlang der Anlage XXVI gerade nicht
Gegenstand der Leistungsbeschreibung waren, sondern erst
nachträglich, Monate nach Vertragsabschluss vom BMU gefordert wurden
und ohne Aufstockung des Finanzbudgets für die Untersuchungen gar
nicht möglich waren. (s. Auszüge aus dem Gerichtsurteil - AZ: 1 A
156/07 DE - im Anhang dieser Pressemitteilung).

Die DUH fordert Minister Gabriel und seinen Staatssekretär
Matthias Machnig auf, aus der deutlichen Klarstellung des Gerichts
Konsequenzen zu ziehen: "Der Bundesumweltminister hat den
Richterspruch akzeptiert. Er sollte sich sehr genau die Begründung
des Urteils ansehen. Die politische Verantwortung für die
unterlassene Warnung von mindestens 60.000 Autohaltern vor
Nachrüstfiltern, die nicht filtern, liegt nicht im Umweltbundesamt,
sondern allein im Bundesumweltministerium. Damit ist noch einmal
eindeutig bewiesen, dass das Bundesumweltministerium spätestens seit
Herbst 2006 Kenntnis von unzureichenden Filtern hatte", erklärte
Resch.

Auch die so genannte Kulanzlösung werde vor Gericht keinen Bestand
haben. Nach Informationen der DUH wurden Umweltminister Gabriel und
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee bereits im November von ihren
eigenen Finanzexperten eindringlich vor den rechtlichen Folgen
gewarnt, die die funktionsuntüchtigen Filter in den Fahrzeugen
belässt und gleichzeitig den Steuervorteil und den Anspruch auf eine
günstigere Feinstaubplakette nicht rückgängig macht.

Der Steuerabschlag für Fahrzeuge mit unwirksamen Filtern ist nach
Überzeugung der Leiterin Recht der Deutschen Umwelthilfe Dr. Cornelia
Nicklas "eindeutig rechtswidrig". Die Steuerbefreiung für "besonders
partikelreduzierte Personenkraftwagen" setze nach dem
Kraftfahrzeugsteuergesetz (§ 3 c Abs. 1 KraftStG) voraus, dass das
Fahrzeug die in der Straßenverkehrszulassungsverordnung (Anlage XXVI
zu § 47 Abs. 3 a StVZO) festgelegten Partikelminderungsstufen
einhält. Entfallen diese Voraussetzungen, sieht das Gesetz eine
zwingende Pflicht zur Neufestsetzung der Steuer vor. Wörtlich heißt
es in § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG: "Die Steuer ist neu festzusetzen,
wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung oder
Steuerermäßigung (...) wegfallen oder wenn nachträglich festgestellt
wird, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben oder nicht
vorliegen."

"Das ist bindendes Recht. Ein Ermessen gibt es nicht. Wer zum
´Schutz der Umwelt und der Verbraucher´ gewährte Begünstigungen
entgegen dieser klaren Rechtslage unangetastet lässt, handelt
eindeutig rechtswidrig. Er verfügt nach ´Gutsherrenart´ über den
Staatshaushalt" sagte Nicklas. Nach Rechtsauffassung der DUH ist
damit auch der Tatbestand der "Aufforderung zur Untreue über den
Haushalt" erfüllt. Strafrechtler nennen dies "Haushaltsuntreue". Der
BGH habe deren Strafbarkeit schon vor mehr als 20 Jahren
klargestellt.

Einer Neufestsetzung der Steuer könne auch nicht entgegen gehalten
werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die gewährte
Steuerbefreiung eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für die
betreffenden Partikelminderungssysteme bestanden habe oder weiterhin
besteht. Denn der oben genannte § 3 c Abs. 1 KraftStG knüpfe gerade
nicht an eine bestehende ABE an, sondern an die konkreten
Partikelminderungsstufen nach § 47 Abs. 3 a StVZO. Voraussetzung für
die Steuerbefreiung sei, dass das Fahrzeug diesen Minderungsstufen
entspricht. Nicklas: "Es ist eigentlich selbstverständlich: Filter
müssen filtern, um eine Steuerbefreiung auszulösen. Genau das tun die
unwirksamen Filter - unabhängig von ihrer Allgemeinen
Betriebserlaubnis - aber gerade nicht."

Auch der Verzicht des Kraftfahrtbundesamts auf die "Rücknahme" der
Betriebserlaubnis sei nach einer ersten rechtlichen Prüfung der DUH
rechtswidrig. In der Ziffer 8 der Anlage XXVI zu § 47 Abs. 3 a StVZO
sei eine bindende behördliche Pflicht vorgesehen, die Genehmigung für
ein Partikelminderungssystem zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen
für die Genehmigung nicht (mehr) erfüllt werden. Das sei hier
unbestreitbar der Fall. Die genannte Rechtsvorschrift sei bindendes
Recht, das dem KBA keinen Ermessensspielraum lasse.

Schließlich schwächt die von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
am 28. November 2007 vorgestellte Entscheidung auf Grundlage der
Selbstverpflichtungserklärung des Gesamtverbandes Autoteile-Handel
und des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe erheblich die
zivilrechtlichen Ansprüche der betroffenen Fahrzeughalter.

Problematisch ist die Beweislastverteilung: Die behördliche
Rücknahme (mit Wirkung für die Vergangenheit) der ABE erleichtert die
Beweisführung gegenüber der Werkstatt, dass der von ihr eingebaute
Partikelfilter nicht wirksam ist. Im Falle der "freiwilligen"
Rückgabe besteht aber die ABE für die bereits verbauten Filter fort.
In diesem Falle muss der Eigentümer des Pkw beweisen, dass in seinem
konkreten Einzelfall sein Filter die geforderte 30%ige
Filterreduktion nicht erreicht.

Der hierfür derzeit einzig mögliche Test nach Anlage XXVI zur
StVZO verursache jedoch in jedem Einzelfall Kosten in Höhe von
mehreren zehntausend Euro. Die Summe mache den individuellen Nachweis
in der Praxis unmöglich. Hätte das KBA die ABE der betroffenen Filter
dagegen von sich aus und mit Wirkung auch für die Vergangenheit
zurückgenommen, hätte es des individuellen Nachweises nicht bedurft.

Anhang: Urteil Dessau (PdF)

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Tel. Büro 07732-99950; Fax: 030
258986-19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin Recht, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 01626344657, Tel.: 030 258986-0; Fax: 030 258986-19,
E-mail: nicklas@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

109994

weitere Artikel:
  • Der Tagesspiegel: Linkspartei mit knapper Mehrheit gegen Stichtags-Verschiebung bei Stammzellen Berlin (ots) - Berlin - In der Bundestagsfraktion der Linkspartei hat am Dienstag eine knappe Mehrheit gegen die von Forschern geforderte Stichtagsverschiebung für den Import embryonaler Stammzellen gestimmt. 17 Abgeordnete hätten für die Beibehaltung der bisherigen Regelung, 16 für eine Liberalisierung des Stammzellgesetzes votiert, bestätigte Fraktionssprecher Hendrik Thalheim dem Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe). Allerdings sei ein Viertel der Fraktionsmitglieder bei der Abstimmung nicht anwesend gewesen. Bei Rückfragen: mehr...

  • Neues Wegekostengutachten der Bundesregierung: Lkw-Maut deckt Wegekosten nicht Berlin (ots) - Berlin. Trotz Lkw-Maut subventionieren die deutschen Steuerzahler den Lkw-Verkehr jährlich mit einem dreistelligen Millionenbetrag für bislang ungedeckte Infrastrukturkosten. Dies geht aus einer heute im Verkehrsausschuss des Bundestages diskutierten Studie zur "Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland" hervor, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat. Demnach betrug die Unterdeckung im Jahr 2005 nach Abzug des Kompensationsvolumens für die deutschen Spediteure rund 600 Millionen Euro. mehr...

  • Dött/Liebing: Umweltpolitische Säule der EU-Meerespolitik steht Berlin (ots) - Anlässlich der Annahme der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie durch das Europäische Parlament am 11. Dezember 2007 in Straßburg erklären die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött MdB, und der zuständige Berichterstatter für Meeresumweltschutz, Ingbert Liebing MdB: Wir begrüßen die Annahme der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie durch das Europäische Parlament in Zweiter Lesung. Mit der neuen Richtlinie wird auf europäischer Ebene erstmals ein umfassender, integrierter Ansatz für den mehr...

  • Kölner Stadt-Anzeiger: Bosbach fordert Konsequenzen nach Terror-Fahndungspanne Köln (ots) - Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, hat umfassende Konsequenzen aus den jetzt bekannt gewordenen Mängeln bei der Fahndung nach den Terrorverdächtigen im Sauerland gefordert. "Es ist erschreckend zu sehen, mit welch gravierenden Problemen dort gekämpft werden musste", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag-Ausgabe). "Diesem Mängelbericht muss ein Bericht über notwendige Konsequenzen folgen." Die Innenminister-Konferenz müsse diesen Bericht erstellen. Die Polizeien der mehr...

  • Götz: EU-Vertrag ist ein Meilenstein für kommunale Rechte Berlin (ots) - Anlässlich der heutigen Regierungserklärung zur Unterzeichnung des EU-Reformvertrages in Lissabon erklärt der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Götz MdB: Der EU-Reformvertrag von Lissabon ist ein Meilenstein für kommunale Rechte in der Europäischen Union. Das belegt die im Vertrag festgehaltene Achtung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung. Die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und die Einbeziehung der Kommunen in die Subsidiaritätsprüfung werden die Rathäuser und Landratsämter mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht