(Registrieren)

Trauer, Entsetzen und Fragen Die offenbar rechtsextremistische Bluttat von Hanau macht fassungslos. Doch Staat und Zivilgesellschaft dürfen dem Morden nicht tatenlos zusehen. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 20-02-2020

Regensburg (ots) - Irgendwie hatte man doch gehofft, dass nach dem
hinterhältigen Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im
vergangenen Juni und nach der Attacke auf die Synagoge von Halle im Oktober das
Morden aufhören würde. Es sollte Schluss sein damit. Doch, ohne den
Ermittlungsergebnissen vorzugreifen, zeigt Hanau auf erschreckende Weise, dass
die Spur des rechtsextremen Terrors in Deutschland auch im Jahr 2020 weitergeht.
Hanau wirft einen dunklen, traurigen Schatten auf das ganze Land. Und das in
einer Zeit, in der viele Menschen doch eigentlich fröhlich und unbeschwert
Fasching und Karneval feiern wollten. Die schreckliche Tat in der Mittwochnacht
in Hanau richtete sich allerdings nicht nur gegen die unschuldigen, zumeist
jungen Opfer in der Shisha-Bar und dem Kiosk, darunter eine schwangere Frau,
sondern in Wahrheit galten die tödlichen Schüsse in der hessischen Stadt uns
allen. Allen, die für das friedliche, tolerante Zusammenleben von Menschen in
unserem Land eintreten. Egal, ob sie in Deutschland geboren wurden oder zu uns
gekommen sind, egal ob sie einen Migrationshintergrund haben - wie es im
Bürokratendeutsch heißt - oder nicht, egal ob und welcher Religion sie
angehören, ob sie helle oder dunkle Haut haben. Die feigen Morde richten sich
auch gegen unsere Zivilisation, gegen unsere Werte, gegen die Menschlichkeit. Am
Tag nach der schrecklichen Tat, die auch an die über Jahre hinweg verübten Morde
des NSU-Terrortrios erinnert, herrschen Trauer über die Opfer, Mitgefühl mit
deren Angehörigen. Aber auch Wut und Entsetzen, dass es wieder zu solch einem
furchtbaren Anschlag kommen konnte. Und es erheben sich wiederum Fragen, wie
konnte es zu solch einem schlimmen Verbrechen kommen? Die Ermittler sprechen in
solchen Fällen oft und mitunter etwas vorschnell von einem "Einzeltäter". Doch
selbst wenn der mutmaßliche Mörder Tobias R. keine direkt beteiligten Helfer,
keine Mittäter und Mitwisser gehabt haben sollte, gibt es offenbar ein
bestimmtes gesellschaftliches Umfeld, ein Klima, Einflüsse im Netz, die einzelne
Menschen zu solchem Morden anstiften, bewegen können. Sein krudes
Bekennerschreiben, seine Videobotschaft und eine Art Manifest verweisen
jedenfalls auf einen wirren, zutiefst rassistischen Hintergrund der Morde. Darin
ähnelt R. dem Täter von Halle, der sich über das Internet radikalisierte und ein
Video seiner Morde perverserweise ins Netz stellte. Auch das Umfeld des
mutmaßlichen Hanauer Mörders, seine Familie, seine Bekannten müssen sich fragen,
warum die schrecklichen Absichten im Vorfeld der Taten nicht erkannt wurden, ob
der Amoklauf nicht vielleicht doch hätte verhindert werden können. Freilich
werden die Morde von Hanau unsere freiheitliche Ordnung nicht in ihren
Grundfesten erschüttern, sie sollten aber dennoch zum Innehalten, zum Nachdenken
Anlass geben. Hanau könnte überall sein. Es mag abgedroschen und
hilflos-ohnmächtig klingen, doch der Staat, die Zivilgesellschaft, also wir
alle, dürfen solchem Terror nicht tatenlos zusehen. Und wir dürfen uns
keinesfalls an solche Verbrechen gewöhnen. Es sind jetzt, mehr als zuvor,
einerseits Mitgefühl und Solidarität mit den Opfern, aber andererseits auch
Zivilcourage, entschlossenes Vorgehen gegen das Gift des Rechtsextremismus
notwendig. Hanau darf sich nicht wiederholen. Nirgendwo. Wehret den Anfängen,
überall wo sie sich zeigen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4526019
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

722201

weitere Artikel:
  • zu Hanau/Halle Halle (ots) - Halle und Hanau: Nicht der Osten, nicht der Westen, sondern Deutschland hat ein Problem. Dabei ist nicht mehr einfach von einem Rechtsextremismus alter Schule zu reden, von einem Alt- oder Neonazismus, sondern von einem Rassismus, der sich seine Begründungen beliebig herbeischafft. Gern auch beliebig verrückt. Im Hanauer Video ist von "Geheimorganisationen" die Rede, die unterirdische Militärbasen in den USA betreiben, in denen Kinder gefoltert und getötet würden. Dagegen sei zu kämpfen. Hat der Täter das geglaubt? Das mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Hanau Stuttgart (ots) - Rassistischer Terror kann nur dann zurückgedrängt werden, wenn die Demokraten, die wirkliche bürgerliche Mitte, insgesamt dem täglichen kleinhässlichen Alltagsrassismus entgegentreten und seinen Bannerträgern nicht das Gefühl geben, auch nur in irgendeiner Weise dazuzugehören. Dieser Kampf wird in den Parlamenten mit politischen Mitteln geführt, er muss auch auf der Straße mit polizeilichen Mitteln geführt werden. Aber er beginnt ganz woanders: in Sportvereinen und den Kirchen, in Jugendgruppen und Schulen. Manchmal mehr...

  • Kommentar / Die Welt mit anderen Augen sehen = Von Dorothee Krings Düsseldorf (ots) - Nun wird in Berlin der Film gefeiert, die 70. Berlinale hat begonnen. Doch die Deutschen hadern gern mit ihren Filmfestspielen, weil im mondänen Cannes die besseren Filme laufen und in Venedig die cooleren Stars durch die Lagunen schippern. Das ist auch so. Doch gerade die Berlinale als großes Publikumsfest mit mehr als 300.000 Besuchern führt vor, warum Filmfestivals nicht nur am Staraufkommen und am Renommee der Regisseure gemessen werden sollten: Im Kino schlüpfen Zuschauer in die Haut von Unbekannten, sie tauchen mehr...

  • Kommentar / Tesla und die grüne Doppelmoral = Von Antje Höning Düsseldorf (ots) - Das hatte sich Elon Musk anders vorgestellt: Als der Tesla-Chef 2019 den Bau einer Elektroauto-Fabrik bei Berlin ankündigte, jubelten Politik und Wirtschaft. 12.000 Jobs sollen entstehen, Zulieferer hoffen auf Aufträge. Wenige Monate später kommt Tesla in der Realität der deutschen Industriepolitik an. Und in der geht alles ganz langsam. Selbstredend muss sich auch ein US-Konzern an die deutschen Spielregeln halten. Doch Tesla hatte die Erlaubnis, für seine Fabrik Wald zu roden, nur wurde diese nun per Gericht gestoppt. mehr...

  • WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): Kommentar zu Hanau Bielefeld (ots) - Es ist entsetzlich: Elf Menschen tot, mehrere verletzt. Die Tat von Hanau macht fassungslos. Was mag in einem Menschen vorgehen, der sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt, der wahllos wildfremde Menschen umbringt und auch vor der eigenen Mutter nicht Halt macht? Ein Verrückter? Das muss man wohl annehmen, auch wenn die Informationen über den mutmaßlichen Täter noch nicht umfassend sind. Ein krudes Manifest, Gedanken über Geheimdienste, die die Gehirne von Menschen fernsteuern, dazu eine abstruse Furcht vor mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht