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Gorch Fock: "Eine Kette von Fehlern"

Geschrieben am 07-05-2019

Hamburg (ots) - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat
bei der Sanierung des Segelschulschiffs Gorch Fock eine "Kette an
Fehlern" in ihrem Ministerium eingeräumt. In einem Interview mit dem
NDR und dem ARD-Hauptstadtstudio sagte die CDU-Politikerin, es seien
am Anfang die wahren Kosten für die Reparatur des Schiffes deutlich
unterschätzt worden. Von der Leyen sagte, dass das Marinearsenal
seinen Teil an Fehlern beigetragen habe, das Amt in Koblenz und auch
die verschiedenen Abteilungen im Verteidigungsministerium. "Da sind
gemeinsam viele Fehler gemacht worden, in einem schwierigen Prozess."

Ursprünglich war das Segelschulschiff Gorch Fock 2015 für kleinere
Reparatur- und Inspektionsarbeiten in die Elsflether Werft gekommen.
Die kalkulierten Kosten lagen damals bei 9,6 Millionen Euro.
Mittlerweile liegen sie bei 135 Millionen Euro.

Die Verteidigungsministerin bestätigte zudem die kritischen
Aussagen eines Bundesrechnungshof-Berichts. "Genau so wie es
dargestellt worden ist, sind die Dinge auch gewesen. Da gibt es
nichts dran zu beschönigen, aber da gibt es auch nichts dran zu
geheimnissen." Dem Bericht der Prüfer zufolge, fehlte es zu Beginn an
einer umfassenden Untersuchung des Segelschulschiffs und einer
vernünftigen Planung. Die Prüfer des Bundesrechnungshofs kritisierten
zudem scharf, dass der Ministerin von eigenen Mitarbeitern wichtige
Informationen vorenthalten wurden - mutmaßlich, damit von der Leyen
den weiteren Reparaturarbeiten zustimmte.

Sie hatte aufgrund von Statusberichten ihrer Mitarbeiter,
sogenannten Leitungsvorlagen, der Fortsetzung der Reparaturarbeiten
an der Gorch Fock zugestimmt. In einer internen Untersuchung hatte
Ursula von der Leyen daraufhin selbst die Abläufe im
Verteidigungsministerium aufarbeiten lassen.

Die interne Untersuchung hatte ergeben, dass ein leitender
Mitarbeiter wichtige Aussagen aus einer zentralen Leitungsvorlage
gestrichen hatte, bevor diese die Ministerin auf den Tisch bekam.
Ursprünglich stand in der Vorlage die Empfehlung, die Arbeiten an der
Gorch Fock abzubrechen und das Schiff neu zu bauen. Nach Streichung
wurde daraus eine Empfehlung zur Fortsetzung der Instandsetzung.

Der fragliche leitende Mitarbeiter ist Benedikt Zimmer und heute
Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Auf die Frage, ob sie
sich getäuscht fühle und was der Staatssekretär dazu zu sagen habe,
antwortete Ministerin von der Leyen im Interview mit dem NDR und dem
ARD Hauptstadtstudio, es sei wichtig gewesen, "mit allen
unterschiedlichen Beteiligten, die dazu beigetragen haben, sehr offen
und klar zu sprechen." Es sei nicht fair, so ein großes, komplexes
Verfahren ausschließlich einem einzigen Menschen anzulasten. "Es ist
nur fair, (...) dass alle zu ihren Fehlern stehen." Im Interview
stellte sie sich vor ihre Mitarbeiter: "Ich habe immer die politische
Verantwortung für alles, was in der Bundeswehr passiert".

Die Ministerin verwies auf die jüngsten Maßnahmen, die einen
weiteren Fall Gorch Fock künftig ausschließen sollen. Das Ministerium
habe eine Abteilung eingerichtet, die verantwortlich für
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sei. Außerdem seien die
Zuständigkeiten zwischen Marinearsenal und Beschaffungsamt in Koblenz
nun neu geregelt worden. Planung und Verantwortlichkeit würden
deutlicher als bisher beim Beschaffungsamt gebündelt. Die
Verteidigungsministerin sagte: "Auf Seiten der Bundeswehr haben wir
jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, damit die Gorch Fock auch
wieder hochseetauglich werden kann".

Die Arbeiten stocken, da die Elsflether Werft Insolvenz anmelden
musste. Gemeinsam mit der Werft arbeitet das Verteidigungsministerium
an Plänen, die Reparaturarbeiten fortzusetzen. Die beiden ehemaligen
Vorstände hatten Millionenbeträge aus der Werft geleitet. Gegen sie
ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf
Untreue. Die beiden Manager besaßen zusätzlich eine Vielzahl an
eigenen Firmen und hatten diese mit Geld der Werft in Form von
Darlehen versorgt.

Nach Angaben der neuen Werftleitung seien insgesamt etwa 16
Millionen Euro in das Firmennetzwerk geflossen. Der heutige
Generalbevollmächtigte der Elsflether Werft, Tobias Brinkmann, wirft
den ehemaligen Managern persönliche Bereicherung vor. Die Darlehen
seien ohne übliche Absicherung und teilweise ohne erkennbare
Rückzahlungsabsicht vergeben worden, sagte Brinkmann dem NDR und dem
ARD-Hauptstadtstudio. Der ehemalige Vorstand habe "Geschäftschancen
verfolgt, die er für erfolgversprechend hält, aber dafür nicht
eigenes Geld aufgewendet, sondern Geld der Werft." Laut Brinkmann mit
dem Ziel, private Geschäfte zu machen. Auch einer der beschuldigten
ehemaligen Manager äußerte sich ausführlich gegenüber NDR und ARD.
Marcus Reinberg wies den Vorwurf der persönlichen Bereicherung
zurück. Ziel sei es gewesen, der Werft neue Geschäftsfelder zu
eröffnen. Die Firmen hatten unter anderem in eine Goldmine und eine
Filmproduktion investiert. Das Geld sei nicht weg, es sei nur
woanders investiert, so Reinberg. Sein Partner äußerte sich auf
Anfrage hingegen nicht.

Der heutige Vorstand versucht nun, die aus der Werft heraus
geleiteten Millionen zurückzubekommen. Zuletzt erwirkten sie per
Gerichtsbeschlüsse, dass das Vermögen der ehemaligen Manager
eingefroren wird. Hierzu gab es von den beiden Ex-Vorständen keine
Stellungnahme.

Um die Gorch Fock weiter reparieren zu können, verhandelt die
Elsflether Werft mit den Gläubigern. Das Management will nun ein
Angebot für das Verteidigungsministerium erstellen. Der Preis soll
nicht höher als die bereits vereinbarten 135 Millionen Euro liegen.
Eine Entscheidung über den Fortgang der Arbeiten soll im Sommer
fallen. Über den Ausgang ist sich Ursula von der Leyen nicht sicher:
"Die Gorch Fock ist noch nicht gerettet."

Zitate frei bei Quellen-Nennung.

Der NDR berichtet am Dienstag, 7. Mai, ausführlich in seinen
Nachrichtensendungen in Hörfunk und Fernsehen über die Hintergründe
und neuen Erkenntnisse des Gorch Fock Skandals.

Das NDR Fernsehen zeigt um 21.15 Uhr in der Sendung "Panorama die
Reporter" einen 30-minütigen Film unter dem Titel: "Der Gorch Fock
Krimi". Dazu erscheint von NDR Info ein fünfteiliger Radio-Podcast,
ebenfalls unter dem Titel: "Der Gorch Fock Krimi". Außerdem sendet
NDR Info am Mittwoch, 8. Mai, um 20.30 Uhr ein 30-minütiges
Radio-Feature. Weitere Informationen unter: www.NDR.de/gorchfock.



Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Tel.: 040/4156 2300
Mail: presse@ndr.de

http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse

Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell


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