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Mittelbayerische Zeitung: Vor einem Scherbenhaufen / Nur auf den ersten Blick geht es im Nervenkrieg der Union um Seehofer gegen Merkel. Dahinter steckt auch ein Kampf um die strategische Ausrichtung.

Geschrieben am 02-07-2018

Regensburg (ots) - Wenn zwei Elefanten miteinander kämpfen, wird
viel Gras zertrampelt, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Wie sehr
die beiden Chefs der Unionsparteien, Angela Merkel und Horst
Seehofer, bei ihrem erbitterten Streit um die Flüchtlingspolitik die
politische Landschaft zerstört haben, ist noch nicht völlig
ausgemacht. Der Schaden jedoch ist bereits jetzt immens, egal, welche
personellen Konsequenzen der Showdown noch fordern wird. Der
Noch-Bundesinnenminister Seehofer hat mit seinem penetranten Beharren
auf einem deutschen Alleingang bei der Zurückweisung von bereits
registrierten Flüchtlingen an der Grenze die Regierung
destabilisiert, die Koalition einer bisher nie dagewesenen Belastung
ausgesetzt und obendrein versucht, die eigene Kanzlerin zu stürzen.
Und die ohnehin wankende EU schaut verstört und besorgt auf das
Desaster in der deutschen Politik. Aus dem Musterschüler Deutschland
ist ein Sorgenkind geworden. Binnen weniger Tage einen solchen
politischen Scherbenhaufen anzurichten, das muss man erst mal
schaffen. In Berlin geht es derzeit vordergründig um die beiden
Kontrahenten, Seehofer versus Merkel, um zwei Kontrahenten, die sich
nun zum alles entscheidenden Endspiel gegenüber stehen. Einer, eine
wird als Sieger/in vom Platz gehen. Der oder die andere als
Verlierer/in davonschleichen. Und in der Tat versucht der offenbar
zum Äußersten entschlossene Bundesinnenminister, mit seinem krawallig
angekündigten Rücktritt auch die Kanzlerin mit in Abgrund zu reißen.
Er will nicht, wie die Friedrich Merz, Roland Koch, Christian Wulff,
Wolfgang Schäuble und andere Merkel-Kontrahenten, in ihrer
Trophäensammlung landen. Alle, die bislang an ihrem Stuhl gesagt
haben, hat Merkel überlebt, abserviert, auf Posten weggelobt, in ihre
Kabinettsdisziplin eingebunden oder sonstwie kleingekriegt. An ihm
sollte sich die Ostdeutsche jedoch die Zähne ausbeißen, mag Seehofer
gehofft haben. Das könnte sich jedoch als große Fehleinschätzung
erweisen. Vordergründig geht es um Personen, weil Politik immer von
Menschen transportiert wird. Doch nur auf den ersten Blick geht es im
jetzigen Nervenkrieg der Union um Seehofer gegen Merkel. Dahinter
steckt jedoch auch der Kampf um die künftige strategische Ausrichtung
der Union. In der CSU ist man nicht nur wegen Merkels störrischen
Verweigerns eines nationalen Alleingangs bei der Zurückweisung von
Flüchtlingen erbost, sondern auch, weil vielen deren ganze liberale
Politik nicht passt. Mit ihrem Kurs in die linke Mitte hinein hat die
Kanzlerin zwar der SPD viel Wasser abgegraben, doch den
national-konservativen Flügel der Union hat sie ausdörren lassen.
Hier tummelt sich nun ungeniert die AfD, die obendrein der CSU die
Alleinherrschaft im Freistaat Bayern abspenstig machen könnte. Doch
wenn ein solches Desaster droht, dann reagiert die CSU nicht nur
höchst hektisch, sondern neigt bisweilen auch zu irrationalem
Verhalten. Seehofers angedrohter, dann wieder relativierter und
ausgesetzter Rücktritt ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man es nicht
machen sollte. Denn was der CSU-Chef als Geradlinigkeit und
Glaubwürdigkeit darstellen möchte, verunsichert die Partei und ihre
potenziellen Wähler noch zusätzlich. Gewählt werden nämlich nicht
unerbittliche Streithansl, sondern ehrliche Arbeiter, die - wenn es
notwendig ist - auch zu Kompromissen bereit sind. Vor allem im eher
konservativen Lager haben zudem Geschlossenheit und zivile
Umgangsformen einen hohen Stellenwert. Merkel, die sich am Anfang des
Streits in der Defensive befand, hat die völlig überzogenen
CSU-Attacken geschickt zur Absicherung ihrer Kanzlerschaft
umfunktionieren können.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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