(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Griechenland-Debatte

Geschrieben am 17-07-2015

Bielefeld (ots) - Was Gianis Varoufakis einst begonnen hatte,
versuchte Gregor Gysi zu vollenden. Linke aller Länder,
vereinigt Euch! »Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind
dabei, die europäische Idee zu zerstören«, polterte der
Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Plenum. Selten hat ein
Oppositionsführer im Bundestag die Wahrheit so auf den Kopf
gestellt. Und selten stand eine Frage so sehr im Raum wie diese:
Warum tut Wolfgang Schäuble sich das eigentlich noch an? Nötig hätte
es der 72-Jährige gewiss nicht mehr. Und verdient hat er es
erst recht nicht. Im Gegenteil: Wolfgang Schäuble verdient Respekt!
Respekt für die Art, wie er noch mit den absurdesten Vorwürfen und
den abstrusesten Ideen umgegangen ist. Und dafür, dass er die
Wahrheit nicht scheut - sei sie auch noch so unbequem. Sicher,
Schäuble ist selbst kein Kind von Traurigkeit. Seine Ungeduld und
sein Zynismus sind bekannt und gefürchtet. Doch die Dimension
dieser Attacken dürfte auch ihn überrascht und tief getroffen haben.
Allein die Hass-Propaganda im Vorfeld des griechischen Referendums,
als die Athener Regierung Plakate mit Schäubles Konterfei und dem
Satz »Seit fünf Jahren trinkt er Euer Blut« aufstellen ließ, war
schier ungeheuerlich. Und dass sich die deutsche Politik nun auch
noch die Scheindebatte vom »hässlichen Deutschen« aufnötigen lässt,
der angeblich »Krieg führt, ohne einen Schuss abzugeben«, ist
schlicht und einfach unerträglich. Nein, das war keine Sternstunde
des Parlaments - das war ein Tiefpunkt. Wahr ist doch: Hätte
Schäuble in Brüssel nicht so verhandelt, wie er verhandelt hat,
wäre die Stimmung womöglich endgültig gekippt. Wer aber hätte
Griechenland dann geholfen, wer hätte die Euro-Zone
zusammengehalten? 60 Abgeordnete der CDU/CSU - deutlich mehr als
beim Probedurchgang - haben am Freitag gegen die Aufnahme von
Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket votiert. Ohne Schäubles
Einsatz wäre die Zahl gewiss noch viel höher gewesen. Und wahr ist
leider auch: Noch gibt es nicht die Spur eines Beweises dafür, dass
in den nächsten drei Jahren besser klappt, was in den vergangenen
fünf Jahren überhaupt nicht geklappt hat. Es ist eine ungeheure
Anmaßung Europas, zu glauben, man könne Athen zu seinem Glück
zwingen. Schäuble hat sich erlaubt, all diese Gedanken weiter zu
denken und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Daher rührte sein
provozierender Plan eines »Grexit auf Zeit«. Und aus seiner tiefen
Überzeugung, dass eine Gemeinschaft, die den Rechtsbruch zum Prinzip
erhebt, keine glückliche Zukunft haben kann. Die Aufregung war groß
- und sie ist es noch immer. Ähnlich groß wie im August 2013,
als jemand mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes
erklärte: »Griechenland braucht ein drittes Hilfspaket.« Wer das war?
Wolfgang Schäuble. Vielleicht nicht das einzige Mal, dass der Mann
seiner Zeit voraus war.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

571607

weitere Artikel:
  • RNZ: Der Türöffner Heidelberg (ots) - Christian Altmeier über Außenminister Steinmeier auf Kuba Es war ein historischer Besuch: Als erster Außenminister der Bundesrepublik reiste Frank-Walter Steinmeier nach Kuba. Dabei bewies der oberste deutsche Diplomat einmal mehr besonderes Fingerspitzengefühl. Denn die sozialistische Insel ist zwar im Wandel begriffen. Doch noch steht Kuba am Anfang der Reformen - und ist weiter fest im Griff einer alternden Generation von Revolutionären, die den gesellschaftlichen Wandel eher widerwillig und nur aus wirtschaftlicher mehr...

  • Rheinische Post: Rückkehr der Streiklust Kommentar Von Maximilian Plück Düsseldorf (ots) - Die gute Nachricht: In der zweiten Jahreshälfte wird es ruhiger an der Streikfront. Die Konflikte bei Bahn und Post sind vom Tisch, die Pilotengewerkschaft verschafft der Lufthansa zumindest zur Hauptreisezeit eine Atempause. Auch bei den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst dürfte die Lust abebben, den Konflikt auf der Straße auszutragen - nicht zuletzt weil er Verdi immer teurer zu stehen kommt. Weitere Großbaustellen sind nicht in Sicht. Ein gebeuteltes Land atmet auf. Dabei wurde die deutsche Sozialpartnerschaft mehr...

  • Rheinische Post: Flüchtlingssteuer Kommentar Von Horst Thoren Düsseldorf (ots) - Den Steuerzahlern droht eine neue Sonderlast: Nach dem Soli für den Aufbau Ost kommt jetzt der Steuerzuschlag für Flüchtlinge. Mettmann macht den Anfang, andere Städte und Gemeinden werden folgen. Mit Protesten ist zu rechnen. Zu Recht. Die Steuerlast im Land ist bereits jetzt zu hoch. Doch die gebeutelten Gemeinden haben angesichts leerer Kassen kaum eine Wahl. Der Hilferuf aus den Kommunen, in NRW weitgehend ungehört, wird immer lauter. Viele Gemeinden sehen sich außerstande, die Unterbringung der Flüchtlinge mehr...

  • Rheinische Post: Warnschüsse für die Kanzlerin Kommentar Von Eva Quadbeck Düsseldorf (ots) - Die Stabilisierung Griechenlands im Euro wird für die Union zu einer dramatischen Zerreißprobe. Jeder fünfte Abgeordnete der Union verweigerte die Folgsamkeit für die Griechen-Rettung. Finanzminister Wolfgang Schäuble deutete die Möglichkeit eines Rücktritts an. Damit bekam die Kanzlerin gleich zwei Warnschüsse vor den Bug. Vergleicht man die Griechen-Rettung mit der Besteigung eines 8000ers, dann sitzt die Union im Basislager und kann nicht mehr, soll aber in vier Wochen bis zum Gipfel hoch. Um im Bild zu bleiben: mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Der letzte Versuch Abstimmung über weitere Hilfen für Griechenland Cottbus (ots) - Die Parlamente in Athen und Berlin treffen unter großen Bauchschmerzen eine Entscheidung gegen die innere Überzeugung vieler ihrer Mitglieder. Sie werden dazu getrieben von zwei Regierungen, die diese Entscheidung in Wirklichkeit auch für falsch halten. Das gilt jedenfalls für Alexis Tsipras dort und Wolfgang Schäuble hier. Und dennoch werden noch einmal 86 Milliarden Euro in das griechische Fass ohne Boden gekippt. Es ist, sagt die Kanzlerin, der letzte Versuch. Dass ein drittes Rettungspaket gegen alle früheren mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht