(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Ukraine, alleingelassen / Das Krimszenario wiederholt sich nun im Donbass. Putin ist konsequent, die EU laviert. Leitartikel von Nina Jeglinski

Geschrieben am 15-03-2015

Regensburg (ots) - Die Welt schaute Anfang März 2014 überrumpelt
und konzeptlos zu, wie Russlands Regierung im Handstreich die Krim
annektierte. Weder die EU noch die USA waren auf ein solches Szenario
vorbereitet. Präsident Putin jedoch hatte seit Jahren in Manövern und
verbal auf die Landeinnahme hingearbeitet. Der Georgienkrieg 2008
hätte die Experten im Westen hellhörig werden lassen müssen. Doch
wirtschaftliche Verbindungen zu Russland haben die Russlandpolitik
aller Bundesregierungen in den vergangenen 15 bis 20 Jahren geprägt.
Zudem hoffte Europa, die Führung in Moskau werde Länder wie die
Ukraine, Georgien, Moldawien abhalten, an die Türen der EU zu
klopfen. Doch die EU hat ihre Rechnung ohne die Bevölkerung der
Ukraine gemacht. Als Ende November 2013 Präsident Janukowitsch seine
Unterschrift zum EU-Assoziierungsvertrag verweigerte, gingen
Hunderttausende Menschen monatelang auf die Straße, um für einen
Westkurs ihres Landes und die Absetzung der pro-russischen Regierung
zu demonstrieren. Putin verfolgte die Ereignisse aufmerksam. Doch die
damalige Führung in Kiew brachte es nicht fertig, auf die
Demonstranten einzugehen. Am Ende flüchtete Janukowitsch nach
Russland. Im Kreml dürften alle Alarmglocken geläutet haben. Die
Proteste in der Ukraine drohten auf Städte wie Sankt Petersburg und
Moskau überzugreifen: Zwischen der Kremlmauer und dem Nobelkaufhaus
Gum ein Protestlager aus Zelten, einer Bühne sowie Hunderttausenden
Unterstützern, die die Absetzung Putins fordern würde - für den
Ex-KGB-Mann ein Alptraum. Putin tat, was der Westen fast nie tut: Er
griff schnell durch. Der Westen akzeptiert das in Teilen. In der EU
gibt es eine Zustimmung dafür, dass sich der Status quo in der
Ukraine für viele Jahre nicht verändern wird. Damit hat das Land auf
absehbare Zeit keine Chance, bei der EU einen Antrag auf
Mitgliedschaft zu stellen. Auf der Krim ist der Konflikt eingefroren,
in der Ost-Ukraine droht in den besetzen Regionen von Donezk und
Lugansk das gleiche Szenario wie in Georgien. Die Gebiete Abchasien
und Südossetien wurden im Augustkrieg von 2008 vom Staatsgebiet
Georgiens abgespalten und führen seitdem eine Existenz im Abseits.
International nicht anerkannt und wirtschaftlich isoliert, hängen die
dort verbliebenen Menschen am Tropf Moskaus, das sich mehr schlecht
als recht um sie kümmert. Auf der Krim erleben die Menschen diese
Entwicklung bereits. Seit die Russen die Insel übernommen haben, geht
es mit der Wirtschaft bergab. Der Tourismussektor brach zur Hälfte
ein. Besuchten 2013 noch 6,8 Millionen Gäste die Insel, waren es 2014
noch 3,5 Millionen. Ohne das Reiseprojekt der russischen Regierung,
die vor allem Belegschaften staatlicher Unternehmen Krim-Touren zu
Sonderkonditionen sponsert, sähe die Bilanz noch schlechter aus. Die
Insel ist vom ukrainischen Festland isoliert, es braucht
Sondergenehmigungen zur Ein- und Ausreise, und wer sich zur Ukraine
bekennt oder die Annexion der Krim kritisiert, riskiert
Gefängnisstrafen. Viele Ost-Ukrainer befürchten, dass ihnen das
gleiche Schicksal bevorsteht. Die Vereinbarungen von Minsk sehen vor,
dem Donbass einen Sonderstatus zu gewähren. In der Ukraine ist man zu
oft von westlichen Partnern enttäuscht worden. Deshalb sind die
Hoffnungen gedämpft, dass Berlin und Washington im Sinne Kiews
verhandeln würden. Präsident Poroschenko wird seinen Landsleuten in
den nächsten Wochen und Monaten erklären müssen, wieso die Ukraine
nach dem Verlust der Krim nun auch noch auf einen Großteil des
Donbass verzichten muss und der Weg Richtung EU für Jahre versperrt
sein wird. Es ist fraglich, ob Poroschenko das durchhält.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

562970

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Rechtsextremismus immer gefährlicher Unterschätzte Angst Amina Vieth Bielefeld (ots) - Der Kampf gegen den Terror gestaltet sich immer schwieriger. Einige tausend Kilometer weit weg wird er vom Islamischen Staat ausgeübt. In Deutschland selbst droht noch ein anderer Terror: der Rechtsextremismus. Durch die zunehmende Gewalt der Dschihadisten beflügelt, wird die rechte Szene wieder stärker und für viele Bürger wieder attraktiver. Sie organisiert sich neu, die Strippenzieher sind smarter als ihre Vorgänger und wissen, wie sie junge Menschen für sich begeistern können. Es ist eine rechte Radikalisierung. mehr...

  • Rheinische Post: Stärke demonstriert Kommentar Von Jörg Isringhaus Düsseldorf (ots) - Die Ankündigungen lasen sich wie eine Art Vorhölle für Normalbürger: Extremisten jeder Couleur hatten Wuppertal als Spielplatz auserkoren, um dort ihre verquere Weltsicht zu verbreiten. Angesichts der bisher einmaligen Gemengelage und der erwarteten Zahl von Salafisten, Hooligans, Rechts- und Linksextremen sowie "Pegida"-Anhängern war im Vorfeld die Rede davon, dass die Stadt brennen werde. Dass es dazu nicht kam, ist zum einen der Besonnenheit der Wuppertaler zu verdanken. Wer nicht raus musste, blieb zu Hause mehr...

  • Rheinische Post: Der Edathy-Fluch Kommentar Von Eva Quadbeck Düsseldorf (ots) - Wer SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann aus Oppositionszeiten kennt, hat einen Vollblut-Politiker mit pointierten Sprüchen und geschickter Taktik vor Augen. Doch seit dem Beginn der Edathy-Affäre, also praktisch seit dem Start der großen Koalition, kann Oppermann nicht mehr Vollgas geben. Das schwächt die SPD als Regierungspartei und ist ein Grund dafür, dass in dieser großen Koalition eine verlässliche Achse zwischen Union und SPD im Parlament fehlt. Die Edathy-Affäre, die sich noch weit in diese Wahlperiode hineinziehen mehr...

  • Rheinische Post: Athen muss Realitäten zur Kenntnis nehmen Kommentar Von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Die hat nun endlich Einzug gehalten in der griechischen Regierung. Ministerpräsident Tsipras und sein umtriebiger Finanzminister Varoufakis merken, dass sie nichts mehr in der Kasse haben. Sie sind auf die Hilfen der Gläubigerländer auf Gedeih und Verderb angewiesen. Es gibt deshalb für Athen nur einen Weg, im Euro zu bleiben. Es muss ohne Wenn und Aber mit den europäischen Partnern kooperieren und alle Mätzchen lassen, die das behindern. Man mag dem deutschen mehr...

  • NOZ: Gespräch mit Jürgen Trittin, Grünen-Politiker Osnabrück (ots) - Grünen-Politiker Trittin fordert "Klartext" der Kanzlerin zu US-Plänen für Waffenexporte in die Ukraine Appell zum Jahrestag der Krim-Annexion - Warnung auch vor pauschalen Sanktionen gegen Russland Osnabrück. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin hat anlässlich der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland anhaltende Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine scharf verurteilt. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag) forderte Trittin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht