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DER STANDARD-Kommentar: "Berufsheer im Gartenzwergformat" von Conrad Seidl

Geschrieben am 25-08-2014

Das Militär braucht mehr Geld - aber das sollte in die Miliz
fließen (Ausgabe ET 26.8.2014)

Wien (ots) - Das Problem des österreichischen Bundesheeres ist
seit seiner Gründung 1955, dass es ein getreuliches_Abbild einer
Großmachtarmee sein wollte. Im Gartenzwergformat. Also mit ganz
wenigen Panzern, ganz wenigen Flugzeugen, ganz wenigen Kanonen. Aber
mit einem großen Berufskader. Und mit Wehrpflichtigen, die man nach
Gutdünken einsetzen kann: für Putzdienste in der Kaserne oder, wenn
doch mal ein militärischer Ernstfall eintreten sollte, zum Auffüllen
der Verbände mit Soldaten aus der Reserve.

1972 hat Bundeskanzler Bruno Kreisky dieses schon damals
anachronistische System zu durchbrechen versucht: Das Bundesheer
sollte in eine schlanke, gepanzerte Bereitschaftstruppe aus
Berufssoldaten und eine mehrere 100.000 Mann starke Milizarmee
gegliedert werden, die das gesamte Bundesgebiet im Ernstfall
verteidigen sollte. Dies macht die Schweiz vor: Führungsaufgaben im
Militär haben dort Manager aus der Wirtschaft, die im Zweitberuf
Offiziere sind und sich für den Militärjob ständig weiterbilden.
Unterführer und Mannschaften sind Profis aus der Industrie, die ihren
militärischen Nebenberuf nach zahlreichen Milizübungen perfekt
beherrschen.

Auch so ein Bedarfsheer kostet Geld. Nicht nur den Bundeshaushalt,
sondern auch die Wirtschaft, die die Nebenberufs-Soldaten immer
wieder freistellen muss. Aber es ist insgesamt wesentlich billiger
als ein vergleichbar leistungsfähiges Präsenzheer.

In Österreich hat man das ohnehin nicht so ernst genommen wie auf
dem Papier der Planer: Nie wurde das Budget für ein
300.000-Mann-Milizheer bereitgestellt, bei Fliegern und Panzern, bei
Betriebskosten und zuletzt sogar bei den Uniformhemden hat man
gespart. Und improvisiert.

Das hat zu seltsamen Auswüchsen geführt: Man hat das beste
Kampfflugzeug der Welt gekauft - es aber heruntergerüstet, so dass es
für Luftkampf oder gar Multi-Role unbrauchbar wurde. Man hat (dem
Volkswillen entsprechend) die Wehrpflicht aufrechterhalten - bildet
die Rekruten aber nicht für Kampfeinsätze aus und integriert sie
schon gar nicht in das Milizsystem. Dann müssten sich die
Berufsmilitärs nämlich zurücknehmen.

Was sie aber nicht tun. Nach wie vor werden in der Militärakademie
dutzende Berufsoffiziere ausgebildet, aktuell bereiten sich elf
Offiziere auf eine Generalstabskarriere vor - ganz so, als ob
Österreich eine Großarmee hätte.

Hat es aber nicht. Eine eigenständig einsatzfähige Miliz gibt es
ebenso wenig wie den Willen, diese mobilzumachen. Als letzte Woche
wieder mal ein Hochwasser im Lungau auftrat, wurden 30 Berufssoldaten
und 30 nicht fertig ausgebildete Rekruten zur Hilfe entsendet.
Niemand käme auch nur auf die Idee, die Miliz aufzubieten. Reserve
hat Ruh. Aber Reserve ist nicht gleich Miliz. Da wird nämlich
Begriffsverwirrung betrieben: In Sonntagsreden wird gelobt, wie
wichtig die Rolle von Milizsoldaten in Auslandseinsätzen ist - dabei
sind gerade dort keine Milizverbände tätig, sondern gekaderte
Berufsverbände, in die einzelne Reservisten eingegliedert werden.

Das Bundesheer ist zum verbeamteten Berufsheer geworden, bei dem
halt nebenbei Rekruten einberufen und wieder heimgeschickt werden,
während das Berufskader alt und grau wird. Das System ist ineffizient
und verschlingt vor allem Personalkosten. Ja, das Heer braucht mehr
Geld. Aber das müsste in eine effektive Miliz fließen und nicht in
die Systemerhaltung.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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