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Mittelbayerische Zeitung: Im Angesicht des Grauens / Die Fanatiker der IS-Miliz haben gezeigt, wozu sie fähig sind. Es darf kein Zögern des Westens mehr geben. Leitartikel von Christian Kucznierz

Geschrieben am 20-08-2014

Regensburg (ots) - Ein Mann kniet irgendwo in der Wüste. Er trägt
einen orangefarbenen Anzug, wie ihn die Terrorverdächtigen im
US-Lager Guantánamo tragen. Neben ihm steht sein Henker,
schwarzgewandet. Der Mann in orange heißt James Foley, er ist
Journalist, seit zwei Jahren ist er in der Hand von Terroristen, in
wenigen Augenblicken wird er sterben, auf barbarische Art. Seine
Mörder halten alles auf Video fest. Während blutige Regime in aller
Welt immer darauf bedacht sind, ihre Taten zu vertuschen, hat die
islamistische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) einen
Propagandafeldzug ungeahnten Ausmaßes gestartet. Das Video der
Enthauptung wurde auf Youtube veröffentlicht, über Twitter geteilt
und ging damit in Minuten um die Welt. Es ist nicht das erste Video
seiner Art und Bilder vom Terror der IS gibt es zuhauf im Netz. Ihre
Wirkung haben sie nicht verfehlt. Die Angst vor ihrer Grausamkeit hat
den Islamisten zum Sieg im Nordirak und in Syrien verholfen. Das
Video des Abschlachtens Foleys aber hat eine neue Dimension. Es ist
eine Kriegserklärung an die USA, an den Westen, die sich in den
Konflikt eingemischt haben. Aber es gibt keine Alternative zu einer
Einmischung - auch weil sie längst erfolgt ist. Sie ist Teil des
Problems. Deutschland hat nun im Licht der jüngsten Entwicklungen
eine Kehrtwende hingelegt. War anfangs nur von humanitärer Hilfe für
die Flüchtlinge die Rede, wurde schnell handfeste Unterstützung für
die Peschmerga daraus. Seit gestern prüft Berlin nun die Lieferung
von Waffen. Dafür ist es höchste Zeit. Die kurdischen Verbände
kämpfen mit veralteter Ausrüstung gegen gut ausgebildete Soldaten mit
modernem Militärgerät, das von den Amerikanern in den Irak geliefert
wurde. Dabei sind die Peschmerga an der vordersten Front. Bricht sie
zusammen, haben die Islamisten freie Bahn. Dass es überhaupt so weit
kommen konnte, ist vor allem dem Versagen der westlichen und vor
allem der US-Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Kriegs
zuzuschreiben. Der Krieg im Irak war ein fataler Fehler, der über
eine halbe Millionen Opfer gekostet und eine ganze Region für ein
Jahrzehnt ins Chaos gestürzt hat. Der US-Einmarsch beendete nicht nur
das Regime von Saddam Hussein, sondern auch die von ihm mit äußerster
Brutalität erzwungene Ruhe im Land. Während der US-Besatzung zeigte
sich deutlich die ethnische und religiöse Zersplitterung des Irak.
Das Chaos in den kommenden Jahren machte die IS erst möglich. Als
Ableger der Al-Kaida gegründet, wurde sie mit Öl-Millionen aus
Saudi-Arabien und Katar als Speerspitze im Kampf gegen die
"Ungläubigen" und die Schiiten in der Region hochgerüstet. Als Syrien
implodierte, war die IS für Immer-noch-Machthaber Assad ein
willkommener Quasi-Verbündeter. Die Islamisten halfen dabei, andere
Oppositionelle auszuschalten, nach dem Motto: "Der Feind meines
Feindes ist mein Freund". Aus der Erfahrung des Irak-Kriegs heraus
entschied sich der Westen, dem Treiben in Syrien selbst nach dem
Giftgaseinsatz gegen Zivilisten vor einem Jahr zuzusehen. Als Ausrede
für diese Untätigkeit muss herhalten, dass es im UN-Sicherheitsrat
keine Zustimmung zu einem Einsatz gibt. Das stimmt. Allerdings haben
sich dieselben Verbündeten nicht gescheut, damals im Irak einen Krieg
ohne UN-Mandat und mit gefälschten Argumenten zu beginnen. Der Westen
hat durch falschen Aktionismus einerseits und Untätigkeit
andererseits ein Trümmerfeld geschafften, auf dem die Islamisten der
IS nun ihre Gegner abschlachten, aber auch Straßen und Krankenhäuser
bauen, um sich so den Rückhalt der Menschen zu sichern. Sie haben das
Vakuum, das die USA und ihre Verbündeten entstehen ließen, gefüllt.
Die Zeit, diese Entwicklung rückgängig zu machen, ist lange
verstrichen. Es gilt jetzt, zumindest die Auswirkungen einzudämmen -
mit aller Macht. Die Peschmerga brauchen alle Hilfe, die sich
bekommen können, vor allem aktive militärische Unterstützung. Die
Aufnahmeländer der Millionen Flüchtlinge brauchen dringend
logistische und finanzielle Hilfe. Bleibt beides aus, werden
Millionen Vertriebener vor den Toren Europas stehen - genauso wie
Dutzende gewaltbereiter Topterroristen. Und Bilder wie die von der
Hinrichtung von James Foley werden uns weiter in den Schlaf
verfolgen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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