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DER STANDARD-Kommentar: "Kein Krieg - kein Abschuss" von Josef Kirchengast

Geschrieben am 18-07-2014

Aus seinen Worten zur Flugzeugtragödie müsste Putin selbst
Konsequenzen ziehen. (Ausgabe vom 19.7.2014)

Wien (ots) - Die Meldungen vom mutmaßlichen Abschuss der
malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine waren erst wenige
Stunden alt, da tobte schon der Propagandakrieg. Der ukrainische
Präsident Petro Poroschenko sprach von einem Terrorakt, der klar
mache, dass die "externe Aggression gegen die Ukraine" auch eine
Bedrohung der europäischen und globalen Sicherheit sei. Wer für Kiew
der externe Aggressor ist, muss Poroschenko nicht extra darlegen. Für
russische Medien und von ihnen befragte Experten wiederum bestand von
vornherein kein Zweifel, dass die Regierung in Kiew für die
Katastrophe verantwortlich sei. Präsident Wladimir Putin hatte ja die
Linie schon kurz nach Bekanntwerden des Absturzes vorgegeben: Die
Tragödie wäre nicht passiert, "wenn nicht die Kampfhandlungen im
Südosten der Ukraine wieder aufgenommen worden wären".
Unausgesprochener Nachsatz: Die ukrainische Regierung hat die
Militäroperationen gegen die Separatisten entgegen russischen
Warnungen fortgesetzt, also ist sie schuld an der Katastrophe. Kein
Krieg - kein Flugzeugabschuss: Putins Logik ist tatsächlich
bestechend. Zunächst einmal wirft sie die Frage auf, wie
verantwortungsbewusst sich Fluggesellschaften verhalten. Einige
Airlines umfliegen das ukrainische Kampfgebiet schon seit Monaten
großräumig. Warum andere nicht? Wird da die Sicherheit der Passagiere
kommerziellen Erwägungen untergeordnet? Die Verantwortlichen nicht
nur der Malaysia Airlines werden sich peinliche Fragen gefallen
lassen müssen. Aber das Ausblenden eines Restrisikos, aus welchen
Motiven immer, bedeutet nicht Schuld. Kein Krieg - kein
Flugzeugabschuss: Putins so bestechende Logik ist zugleich unfassbar
zynisch. Der Krieg in der Ostukraine ist die Folge davon, dass die
Separatisten von Russland politisch und militärisch unterstützt
werden. Kiew hat den Rebellen wiederholt Gespräche angeboten, wenn
sie die Waffen niederlegen. Das haben sie nicht getan, was den
Verdacht nährt, dass es ihnen und ihren Mentoren nicht um eine
friedliche Lösung des innerukrainischen Konflikts geht. Die
Kausalkette muss also früher beginnen: Keine russische Hilfe für die
Separatisten - kein Krieg - kein Flugzeugabschuss. Die Tragödie von
Flug MH17 macht deutlich, wie schnell Konflikte dieser Art außer
Kontrolle geraten können. Insofern hat Poroschenko recht, wenn er von
einer Bedrohung der globalen Sicherheit spricht. Aber wechselseitige
Schuldzuweisungen helfen in dieser Situation nicht weiter.
Stattdessen sollte sich die ukrainische Führung fragen, ob sie selbst
wirklich alles getan hat, um zu einer Entschärfung der Lage
beizutragen. Moralisch mag Kiew im Recht sein, wenn es die
Entwaffnung der Separatisten zur Bedingung für Gespräche macht. Aber
wenn der Fortbestand des Landes und der Frieden in Europa auf dem
Spiel stehen, helfen Justamentstandpunkte nicht mehr weiter. Wenn
überhaupt, dann kann nur eine unabhängige internationale Untersuchung
die Schuldfrage zweifelsfrei klären. Wie die Konfliktparteien dazu
stehen und, vor allem, wie kooperativ sie sich verhalten, sollte es
tatsächlich dazu kommen, wird sehr aufschlussreich sein. Der Fall
kann zum Wendepunkt der Ukraine-Krise werden - in die eine oder in
die andere Richtung.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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