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Westdeutsche Zeitung: Integration sieht anders aus = von Peter Kurz

Geschrieben am 10-07-2014

Düsseldorf (ots) - Integration kann nur gelingen, wenn die
Zuwanderer die Sprache ihrer neuen Heimat erlernen. Doch nun erlaubt
der EU-Gerichtshof türkischen Staatsangehörigen, ohne
Sprachkenntnisse ihrem Ehepartner nach Deutschland zu folgen. Das
erscheint als gewaltiger Rückschritt. Formalrechtlich hätte sich das
EU-Gericht allein darauf zurückziehen können, dass Deutschland sich
das Urteil selbst eingebrockt hat. Wurde doch durch die Vorgabe von
Sprachtests ein zuvor getroffenes Abkommen verletzt, wonach die
Niederlassungsfreiheit nicht erschwert werden darf. Eben das ist aber
der Fall, wenn eine Familienzusammenführung vom Bestehen eines
Sprachtests schon auf türkischem Boden abhängig gemacht wird. Das
Gericht hat aber nicht nur formalrechtlich, sondern auch durchaus
"menschlich" argumentiert. Eine solch strikte Regelung könne dazu
führen, dass sich der zunächst nach Deutschland gezogene Ehepartner
entscheiden muss: Entweder die Arbeit in Deutschland oder ein
Familienleben in der Türkei. Diese Sichtweise ist aller Ehren wert.
Und doch ist fraglich, ob sie nicht das Ziel der Integration
generell, aber auch im speziellen Fall des nachziehenden Ehegatten
konterkariert. Seine Situation ist fatal: In einem fremden Land leben
und kein Wort verstehen - wie fühlt sich das wohl an? Wer eine neue
Heimat sucht, dem müsste daran gelegen sein, nicht vom
gesellschaftlichen Leben abgekoppelt zu sein. Es sei denn, er will
ohnehin nur in einer Parallelgesellschaft leben. Doch die Gefahr, in
Isolation oder Abhängigkeit von anderen zu geraten, ist groß. Ein
Sprachkurs schon in der Heimat ist sinnvoll. Allerdings darf man
nicht einfach hierzulande geltende Maßstäbe anlegen. Analphabetismus
etwa kann eine hohe Hürde sein. Daher kann das Erfordernis eines
Tests ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unangemessen
sein. Dennoch: Wer jetzt bejubelt, das Urteil sei ein Sieg der
Niederlassungsfreiheit und der Menschlichkeit, sollte sich auch dafür
einsetzen, dass Zuwanderer nach der Einreise nicht allein gelassen
werden. Das wenigstens leidliche Erlernen der Sprache ist der
Schlüssel zum Integrationserfolg.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz.de


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