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DER STANDARD-Kommentar: "Parlamentssanierung reicht nicht" von Conrad Seidl

Geschrieben am 09-07-2014

Politik darf etwas kosten - wenn sie der Demokratie auch etwas
bringen soll (Ausgabe 10.7.2014)

Wien (ots) - Kurz vor der Sommerpause - und im Schatten der
Hypo-Debatte - hat das Parlament ein paar wichtige Beschlüsse in
eigener Sache gefasst: Zunächst einmal wurde die bessere Besoldung
jener Mitarbeiter beschlossen, auf denen vielfach die inhaltliche
Vorbereitung der Parlamentsarbeit lastet.

Noch schwerer wiegt der zweite Beschluss, jener zum Umbau der
physischen Hülle dessen, was aus Respekt vor der Volksvertretung als
"Hohes Haus" bezeichnet wird. Ab 2017 soll der ehrwürdige Bau von
Theophil Hansen einer Generalsanierung unterzogen werden - 352,2
Millionen Euro genehmigt sich das Parlament dafür.

Das war nicht selbstverständlich.

Denn beide Beschlüsse kosten das Geld jener Steuerzahler, von
denen viele schon jetzt darüber schimpfen, dass die Politik an sich
zu teuer wäre - ein Chor, in den manche Oppositionspolitiker nur
allzu gerne einstimmen, um dafür auch noch Applaus vom Boulevard zu
bekommen.

Den Abgeordneten regnet es durchs Dach? Bravo! Sie leiden unter
der Hitze, weil die Klimaanlage wieder mal ausgefallen ist?
Schenkelklopfendes Gelächter, weil "die ja sonst eh nicht ins
Schwitzen kommen". Man kennt das - und weiß, dass man gegen solchen
Populismus schwer mit dem Argument ankommt, dass Demokratie eben
etwas kostet. Oder dem, dass Abgeordnete und ihre Mitarbeiter
Arbeitsplätze brauchen, wie sie das Arbeitsinspektorat zu Recht auch
für alle anderen Beschäftigten fordert. Dass man hier nun saniert,
ist nur recht und billig. Und noch wichtiger ist, dass auch die FPÖ
in die Pflicht genommen wird, der ein zeitgemäß ausgestattetes
Parlament bisher als zu luxuriös erschienen ist.

Unterbelichtet bleibt dabei die Frage, ob die Sanierung des
bestehenden Baus aus dem Jahre 1883 - noch dazu mit einem engen
Kostenrahmen - den richtigen Rahmen für einen Parlamentarismus des
21. Jahrhunderts bietet.

Zwar haben schon die Umbauten der letzten Jahrzehnte versucht, das
Gebäude ein wenig für die Bürger zu öffnen - mehr als ein
Zentraleingang hinter dem Rücken der Weisheitsgöttin Pallas Athene
und ein Besucherzentrum im Keller ist sich aber leider nicht
ausgegangen. Den Anforderungen eines Arbeitsparlaments kann in dem
historischen Bau noch weniger entsprochen werden.

Nicht baulich - weil die notwendigen Klub- und Abgeordnetenbüros
für ein auf sechs Fraktionen angewachsenes Parlament nicht in
vernünftiger Nähe unterzubringen sind. Auch nicht organisatorisch:
Eine Diskussion über zentrale Einrichtungen wie einen allen
Fraktionen zuarbeitenden legistischen Dienst (eine
Selbstverständlichkeit im Deutschen Bundestag) findet in Österreich
gar nicht erst statt.

Und schon gar nicht wird darüber geredet, dass der österreichische
Nationalrat irgendwo zwischen Europaparlament und Landtagen
eingebunden ist - er ist mit den Ländern nur über den Bundesrat
vernetzt, mit dem EU-Parlament überhaupt nur durch die
Ausschussarbeit. Tiefgreifende Änderungen sind nicht in Sicht - denn
wenn man darüber ernsthaft diskutieren wollte, müsste man das gesamte
System umstellen und nicht nur ein historisches Gebäude sanieren.

Dies würde einen Neubau nicht nur des Parlaments, sondern der
Republik bedeuten. Was nicht nur Geld, sondern auch Mut erfordern
würde.

Es fehlt aber an beidem.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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