(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Der Bundesgerichtshof hat das Recht auf Anonymität im Netz gestärkt - am grundsätzlichen Problem kann aber auch diese Entscheidung nur wenig ändern. Leitartikel von Holger Sc

Geschrieben am 01-07-2014

Regensburg (ots) - Das vielleicht Wichtigste gleich vorneweg -
verbunden mit der Bitte an alle einschlägig vorbelasteten Politiker
und Lobbyisten, diese hohle Phrase einfach stecken zu lassen: Das
Internet war noch nie ein rechtsfreier Raum, es ist kein rechtsfreier
Raum und es wird nie ein rechtsfreier Raum sein. Daran ändert der
Bundesgerichtshof mit seinem aktuellen Urteil nichts. Im Gegenteil:
Die Richter sorgen für ein gutes Stück mehr Klarheit und sie tun dies
auf einem sehr nachvollziehbaren Weg. Das BGH-Urteil stärkt das Recht
auf freie Meinungsäußerung, es bekräftigt auch den Schutz der
Anonymität im Internet. Die gesetzliche Grundlage dafür ist im Grunde
eindeutig. Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Durchsetzung von
Urheberrechten - das sind die klar benannten Ausnahmen, in denen der
Schutz der Anonymität aufgehoben werden kann. Nicht weniger, aber vor
allem auch nicht mehr - Persönlichkeitsrechte sind ausdrücklich nicht
aufgeführt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass jeder über jeden
und jederzeit anonym behaupten darf, was immer er will. Schließlich
gehört zu den Ausnahmen die Strafverfolgung. Genau die setzt ein,
wenn ein Betroffener Strafanzeige - beispielsweise wegen Beleidigung
- stellt und die Ermittlungsbehörden ausreichend Grund sehen, diese
Anzeige auch zu verfolgen. Natürlich ist das eine zusätzliche Hürde.
Eine Hürde, die an dieser Stelle aber auch genau richtig platziert
ist. Denn auf diese Weise wird zumindest ein wenig
unwahrscheinlicher, dass Kritik schon deshalb nicht öffentlich
geäußert wird, weil der Kritiker stets um seine Anonymität fürchten
und eventuell mit persönlichen Nachteilen rechnen muss. Eine solche
Drohkulisse kann nicht im gesellschaftlichen Interesse sein. Denn es
sind nicht selten Insider, die es nur im Schutz der Anonymität wagen
können, öffentlich auf echte Missstände hinzuweisen. Gleichzeitig
kann auch niemand für sich in Anspruch nehmen, stets wohlfeilen
Meinungen zu begegnen. Genauso wenig darf es auf der anderen Seite
natürlich einen Freifahrtschein für anonyme Pöbler geben. Wer Opfer
von ehrverletzenden Beiträge wird - oder sich als solches fühlt - hat
wie bisher die Möglichkeit dagegen vorzugehen. Werden dem Betreiber
einer Website rechtswidrige Inhalte gemeldet, dann hat er diese
Vorwürfe zu prüfen und den entsprechenden Beitrag gegebenenfalls zu
löschen. Geht es nur darum, eine solche Behauptung aus der Welt zu
schaffen, ist die Sache damit erledigt. Will ein Betroffener aber
auch des Urhebers mächtig werden, dann muss er jetzt zum Mittel der
Strafanzeige greifen. Das ist zwar gut so - wird das eigentlich
Problem aber auch nicht wirklich lösen können. Wann ist
Strafverfolgung wirklich gerechtfertigt? Welche Mittel sind in
welchem Fall angemessen? Diese Streitpunkte bleiben, sie werden wohl
in Zukunft sogar noch härter und wahrscheinlich auch häufiger
diskutiert. Schon die Definition dessen, wo zum Beispiel der Bereich
der harten Kritik endet und die Beleidigung anfängt, fällt quer durch
die Bundesrepublik höchst unterschiedlich aus. Welche Methoden die
Ermittlungsbehörden in welchen Fällen anwenden sollten und wo sie mit
Kanonen auf Spatzen schießen, ist ein weiterer Bereich, in dem sich
ausdauernd streiten lässt. Solche Auseinandersetzungen sind natürlich
nicht angenehm - notwendig sind und bleiben sie aber dennoch.
Pathetisch ausgedrückt: Derlei immerwährende Streitfälle sind der
Preis der Freiheit. Dieser Preis ist keinesfalls zu hoch.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

535432

weitere Artikel:
  • Badische Zeitung: Internet-Pöbeleien / Rohe Sitten im Netz Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Der Bundesgerichtshof (hat) die anonyme Nörgelpraxis jetzt bestätigt - mit einem Argument, das sticht: Wenn die Gesetzeslage eben ist, wie sie ist, und Zivilklagen, sagen wir wegen Rufschädigung, dort nicht für gewichtig genug befunden werden, um das Recht auf Anonymität aufzuheben, darf ein oberstes Gericht nicht einfach das Gegenteil beschließen. Aktiv werden dürfte der Gesetzgeber. Allerdings wäre auch der gut beraten, die Finger von einer Verschärfung des sogenannten Telemediengesetzes zu lassen. Werden Persönlichkeitsrechte mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Eskalation der Gewalt in Nahost Stuttgart (ots) - " Nach dem neuerlichen Blutvergießen kann es nicht darum gehen, die Palästinenser zu entwaffnen. Man muss ihre Absichten entschärfen, nicht Hass säen, sondern für Hoffnung sorgen. Dann könnte Netanjahu aus den Anschlägen einen historischen Wendepunkt machen. Doch leider hat der ehemalige Elitesoldat Netanjahu nicht den Mut zum Frieden. Zum Schaden für die Menschen in Nahost." Pressekontakt: Stuttgarter Nachrichten Chef vom Dienst Joachim Volk Telefon: 0711 / 7205 - 7110 cvd@stn.zgs.de mehr...

  • Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze kommentiert: Schaden im Maschinenraum. Zum Rücktritt des Thüringer Staatskanzleiministers Gnauck Gera (ots) - Christine Lieberknecht mag offenbar starke Bilder. Als die Ministerpräsidentin Jürgen Gnauck zurück in die Staatskanzlei holte, nannte sie ihn einen "Mann für den Maschinenraum". Nun ja. So richtig stimmig schien das von Anfang an nicht: Hier ein smarter Mensch in Schlips und Kragen und da die Vorstellung von schwerem Schraubenschlüssel und tropfender Ölkanne. Der Jurist sei ein "exzellenter Verwaltungsfachmann, der gute Arbeit geleistet hat", sagte ihm seine Chefin zum Abschied nach. Nach innen, in mehr...

  • Weser-Kurier: Kommentar von Andreas Lesch zu Joachim Löws WM-Leistung Bremen (ots) - Das Problem an diesem Sieg war keineswegs, dass er knapp war und rumpelig wirkte wie in längst vergessen geglaubten Zeiten. Das Problem war, dass sich Löws Spieler in der ersten Hälfte überrumpeln ließen. Der Bundestrainer hatte ihnen einen Plan mitgegeben für diese Partie, und als dieser Plan nicht funktionierte, waren sie derart perplex, dass sie vor Schreck erstarrten - und Fehler aneinanderreihten, die jeden Jugendtrainer erzürnt hätten. Pressekontakt: Weser-Kurier Produzierender Chefredakteur Telefon: +49(0)421 mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Erfolg für die Demokratie Kommentar von Anja Ingenrieth Karlsruhe (ots) - Eins kann Martin Schulz schon jetzt von sich behaupten: Er hat dem Europaparlament mehr Gesicht und Gewicht gegeben als die meisten seiner Vorgänger. Die EU braucht mehr Demokratie, wenn sie verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen will. Eine Volksvertretung, die ihre Macht medienwirksam ausspielt und mehrt, wo immer es geht, zeigt, dass die Stimme der Bürger in Brüssel nicht so bedeutungslos ist, wie viele glauben. Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht