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DER STANDARD - Kommentar: "Gefangen im eigenen System" von Michael Völker

Geschrieben am 13-06-2014

Die Regierung beschäftigt vor allem komplizierte Kommissionen
und sich selbst. (Ausgabe vom 14.6.2014)

Wien (ots) - Die parlamentarische Pannenserie vom Donnerstag
zeigt, dass die Abgeordneten, vor allem jene der Regierungsparteien,
ihre Arbeit nicht unbedingt ernst nehmen: Es waren zu wenige im
Plenarsaal anwesend, um überhaupt eine Abstimmung durchführen zu
können. Fußball, die Bar oder was auch immer war interessanter als
die parlamentarische Arbeit. Zweiter Streich: Die Abgeordneten der
Regierung stimmten schließlich versehentlich gegen ihren eigenen
Antrag, weil sie dachten, der sei von der Opposition. Thema? Nicht so
wichtig. So sehr interessieren sich die Abgeordneten auch wieder
nicht für Inhalte. Dieses Geschluder wirft insgesamt ein
bezeichnendes Licht auf die Regierungsarbeit. Wenn es um Strafen,
Benimmregeln und Geheimhaltung geht, sind die Funktionsträger schnell
bei der Sache. Sonst geht nicht viel weiter. Das Amtsgeheimnis ist
immer noch nicht gefallen, obwohl die Regierung das versprochen
hatte. Von Transparenz keine Spur. Im Gegenteil: Mit neuen
Geheimhaltungsstufen soll verborgen werden, was die Bürger aus Sicht
der Regierung nichts anzugehen hat. Dass mündige Bürger einen raschen
und direkten Zugang zu Informationen bekommen, ist nicht im Sinne der
Regierung. Das Misstrauen, das die Regierung ihren Bürgern
entgegenbringt, wird offenbar erwidert: Die Vertrauens- und
Umfragewerte der Regierungsspitze sind im Keller. Kanzler Werner
Faymann ist nicht sonderlich beliebt. Er kann sich bestenfalls
darüber freuen, dass Michael Spindelegger noch viel schlechtere Werte
hat. Von einer gemeinsamen Mehrheit sind SPÖ und ÖVP derzeit weit
entfernt. Heinz-Christian Strache braucht sich nur zurückzulehnen und
abzuwarten. Es ist ja nicht so, dass der besonders schlau oder in
seinen Argumenten überzeugend wäre. Er profitiert nur vom Desaster,
das die Regierung anrichtet. Was wichtig ist und das Land
weiterbringen würde, wird vertagt und in aufwändige Kommissionen
verräumt: Schulreformkommission, Steuerreformkommission,
Verwaltungsreformkommission. Da besteht keine Gefahr, dass sich die
Regierung bewegen müsste. Sie ist damit beschäftigt, sich selbst und
den Stillstand zu verwalten. Dabei wären das elementare und
dringliche Themen: Das Land leidet an einem schlechten und
ineffizienten Schulsystem, an einer extrem hohen Steuerbelastung und
an einer überbordenden Verwaltung. Das System frisst sich selbst.
Warum schon wieder neue Kommissionen? Letztendlich werden nur
Ausreden produziert, mit denen man alles, was längst erledigt werden
sollte, wieder einmal auf die lange Bank schieben kann. Wenn es um
handfeste Interessen geht, um Maßnahmen, die im Interesse der Bürger
wären, wie etwa den dringend notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung,
verliert sich die Koalition im kleingeistigen ideologischen Streit.
Da missversteht die Regierung Interessen: Es geht um parteipolitische
Interessen, um die Interessen des Bundes, um die Interessen der
Länder, um die Interessen eines in sich selbst gefangenen und sich
selbst erhaltenden Systems. Worauf die Regierung dabei vergisst: die
Interessen der Menschen. Und um zum Anfang zurückzukehren: Die
Regierung hält sich dabei Abgeordnete, die willfährig diesen
Systemerhalt unterstützen. Wenn sie nicht gerade Besseres zu tun
haben, wie Fußball schauen oder was auch immer.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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