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Aachener Nachrichten: Kommentar: Im Schützengraben - Die Ukraine-Krise und das Denken in Gut und Böse; Von Joachim Zinsen

Geschrieben am 23-04-2014

Aachen (ots) - ch, was ist es schön, ein klares Feindbild zu
haben. Wladimir, dem Schrecklichen, sei Dank. Endlich können wir
Medien die Welt wieder in Gut und Böse aufteilen. Hier die
aggressiven Politiker im Kreml, eine Gefahr für jedes friedliebende
Volk in Russlands Nachbarschaft. Dort die Aufrechten in Washington,
Brüssel und Berlin, deren Ukraine-Politik sich alleine an hehren
Prinzipien wie Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung orientiert.
Alles ist ja so einfach, alles passt so herrlich in Schubladen. Eine
der Schubladen ist für Helden reserviert. Natürlich gehört da die
ukrainische Präsidentschaftskandidatin und Oli-garchin Julia
Timoschenko hinein. Wen interessiert es schon, wie die Dame an ihr
milliardenschweres Vermögen gekommen ist. Natürlich befindet sich
dort der von deutschen Leitmedien über Wochen zum politischen
Superstar hochgeschriebene Vitali Klitschko - auch wenn er inzwischen
längst in der Versenkung verschwunden ist. Und natürlich stecken in
der Helden-Schublade die Demonstranten vom Maidan. Als sie in Kiew
Regierungsgebäude besetzten, bejubelten wir sie als Freiheitskämpfer.
Unter ihnen waren zwar Ultranationalisten. Aber das hat bei uns
offenbar niemanden groß gestört. Dass einige dieser dunklen Gestalten
inzwischen Minister geworden sind, dass der neue ukrainische
Generalstaatsanwalt aus diesem Milieu stammt, dass Teile der rechten
Sturmtruppen weiterhin unter Waffen stehen, scheint ebenfalls egal zu
sein. Denn Kiew gehört inzwischen zur Achse der Guten. Medien
brauchen natürlich auch Bösewichte. Bösewichte sind die Demonstranten
in der Ostukraine, weil sie in Donezk und anderen Orten
Regierungsgebäude besetzt halten. Bei ihnen handelt es sich - das
sagen die neuen Herren in Kiew und wir erzählen es fleißig nach - um
einen von Wladimir Putin ferngesteuerten Separatisten-Mob, der für
den Anschluss an Russland kämpft. Ob das wirklich stimmt oder ob der
überwiegende Teil der Ost-Ukrainer lediglich eine größere Autonomie
anstrebt, wird kaum hinterfragt. Wer von Putin unterstützt wird, kann
einfach nicht im Recht sein. Schließlich ist der russische Bär
alleinverantwortlich für die Eskalation der Krise. Diese
Rollenverteilung lassen wir uns nicht kaputt machen. Wenn die
Alt-Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl dem Westen schwere Fehler
in der Ukraine-Politik vorhalten und Sanktionen gegen Russland als
Quatsch bezeichnen, werden sie von Elder Statesmen zu senilen
Halbtrotteln herunter geschrieben. Wenn Gerhard Schröder einen
faireren Umgang mit Putin anmahnt, kann das nur Ausdruck alter
Kumpanei sein. Nein, jeder muss an der richtigen Stelle klatschen.
Wer das nicht tut, ist entweder ein pubertierender Anti-Amerikaner
oder ein notorischer Putin-Versteher. Putin verstehen? Wo kämen wir
hin, wenn Medien die Frage stellen würden, ob sich Moskau durch ein
Vorrücken des Westens in die Ukraine nicht tatsächlich eingekreist,
ja bedroht fühlt? Wo kämen wir hin, wenn darüber diskutiert würde, ob
die Angliederung der Krim an Russland wirklich ein Verstoß gegen das
Völkerrecht war? Wo kämen wir hin, wenn die Erkenntnis reifen würde,
dass nicht allein Putin geostrategisch denkt und in der Ukraine seine
eigenen Interessen durchsetzen will, sondern auch der Westen? Wir
würden endlich wieder aus den geistigen Schützengräben steigen. Wir
kämen vielleicht einem Interessenausgleich der Konfliktparteien
näher. Aber wir würden auch unsere schönen, einfachen Feindbilder
verlieren. Nur: Wollen wir das?



Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


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