(Registrieren)

DER STANDARD - Kommentar "Westkurs für Russland, aber wie?" von Eric Frey

Geschrieben am 16-03-2014

Sanktionen können Putin schwächen oder aber nur Russlands
Isolation verstärken - Ausgabe vom 17.3.2014

Wien (ots) - Im Ringen zwischen Russland und der Ukraine um die
Krim, das nach dem Referendum vom Sonntag faktisch entschieden
scheint, geht es natürlich auch um das Schicksal dieser
geschichtsträchtigen Halbinsel und noch mehr um die Zukunft einer
zerrissenen Ukraine. Aber die entscheidende Frage ist eigentlich eine
andere: Wohin geht dieses Russland? Die dramatischen Ereignisse der
vergangenen Wochen in Kiew und Simferopol haben dort Entwicklungen
beschleunigt, die schon länger im Gange waren: das Wachstum eines
ressentimentbeladenen, aggressiven Nationalismus; die zunehmende
Konfrontation mit den USA und der EU; die Unterdrückung von
Oppositionellen und Andersdenkenden; und der Ausbau eines von Öl und
Gas getriebenen Staatskapitalismus, in dem Korruption immer mehr und
Marktwirtschaft immer weniger Platz findet. Das ist zwar vor allem,
aber nicht ausschließlich Wladimir Putins Werk. Denn alle Berichte
und Umfragen zeigen, dass seine Krim-Politik und sein grundsätzlicher
außenpolitischer Kurs auf breite Zustimmung in der Bevölkerung, bei
den Wirtschaftseliten und auch in der Intelligenzija stoßen. Für
manche Beobachter ist dies eine unvermeidliche Entwicklung: Nach
einem kurzen liberalen, aber chaotischen Frühling kehrt Russland zu
jener rückgewandten, nationalistischen und isolationistischen
Geisteshaltung zurück, die im Zarenreich genauso wie unter dem
Kommunismus vorgeherrscht hat. Wenn das stimmt, dann wird sich
Russland immer mehr vom Westen, politisch, kulturell und ökonomisch
entfernen, dann ist ein neuer kalter Krieg unvermeidbar. Aber dieses
pessimistische Bild ist zumindest nicht vollständig. Die relativ
großen Demonstrationen gegen Putins Kriegskurs auf der Krim am
Wochenende in Moskau machen deutlich, dass seit 1991 doch eine
selbstbewusste Bürger- und Zivilgesellschaft gewachsen ist, die sich
nicht mehr so leicht zurückdrängen lässt. Auch die russische
Wirtschaft kann sich nicht mehr so einfach vom Rest der Welt
abkoppeln wie einst die sowjetische Planwirtschaft. Denn Putins
Herrschaft beruht, anders als die der KPdSU, weder auf ideologischem
Eifer noch auf Terror, sondern auf der Aussicht auf ein Leben in
Wohlstand und Sicherheit. Und das geht nur durch den regen
internationalen Austausch von Gütern, Kapital und Ideen. Deshalb
haben Barack Obama und Angela Merkel ganz recht, wenn sie Putin
warnen, dass Russland einen hohen Preis für seine Aggression bezahlen
werde. Unklar ist jedoch, ob diese Kosten früh genug spürbar werden,
damit sie Putins Herrschaft und Popularität untergraben. Der Westen
steht daher vor einer schwierigen Gratwanderung. Sein Ziel muss es
sein, Russland wieder in Richtung Westen zu ziehen. Im Idealfall
können effektive Sanktionen, die nicht nur die Bevölkerung, sondern
auch die Eliten treffen, dazu beitragen. Aber wenn solche Maßnahmen
bloß die Verbitterung und die Isolation in Moskau verstärken, dann
nützt das niemandem, am allerwenigsten der Ukraine. Es gibt daher
keine eindeutig richtige Antwort auf Putins Krim-Kurs. Und eines
müssen sich alle Entscheidungsträger im Westen bewusst sein: Wohin
Russland steuert, hängt nur im geringen Umfang von Worten und Taten
in Washington oder Brüssel ab. Entscheidend ist, ob die Russen selbst
Putin weiterhin in die Vergangenheit folgen oder sich wie die Massen
vom Maidan doch für den Westen entscheiden.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

517381

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Krim-Referendum Halle (ots) - Verzweifelt versuchen die Machthaber im Kreml, ein vom Westen geprägtes Raster zu finden, in das die Annexion der Krim hineinpasst. Dabei sind die Vergleiche absurd. Weder tobt am Schwarzen Meer ein Bürgerkrieg wie in Ex-Jugoslawien, noch hat die Ukraine die Halbinsel besetzt wie einst die Argentinier die Falkland-Inseln. Das hastig anberaumte Referendum war auch keine demokratische Volksabstimmung wie damals im Saarland, sondern eine Farce. Die Bürger der Krim hatten nicht einmal die Wahl. Sie konnten nur Ja mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Buchmesse Halle (ots) - Literarisch bot Leipzig 2014 eine eher bescheidene, aber gewerblich eine gute Messe. Erstmals ist der Umsatz der Internet-Buchhändler um zwei Prozent zurückgegangen. Die klassische Konkurrenz atmet durch. Und lernt. Immer mehr kundige Händler alter Schule setzen auf einen eigenen Online-Vertrieb. Eine Service, der Kunden bindet. Pressekontakt: Mitteldeutsche Zeitung Hartmut Augustin Telefon: 0345 565 4200 mehr...

  • Rheinische Post: Härtere Steuerstrafen Kommentar Von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Der Fiskus nutzt die Gunst der Stunde. Weil immer mehr Steuersünder durch den Kauf von Steuer-CDs und spektakuläre Prozesse à la Hoeneß aufgescheucht sind, lässt er sich nicht mehr von hastig zusammengestoppelten Selbstanzeigen beschwichtigen. Die Behörden schauen genauer hin. Und das ist mit Blick auf die vielen Steuerehrlichen nur zu begrüßen. Jahrzehntelang gründeten manche Banken ein ganzes Geschäftsmodell auf die zweifelhafte Steuermoral eines Teils ihrer Klienten. Der Staat kontrollierte nicht scharf, und mehr...

  • Rheinische Post: Das Krim-Referendum war eine üble Farce Kommentar Von Godehard Uhlemann Düsseldorf (ots) - Die Würfel im Spiel um die Krim sind gefallen - und sie waren gezinkt. Das Ergebnis des Referendums stand von Anfang an fest. Die Umstände der Befragung und die Eile der Durchführung sprechen demokratischen Gepflogenheiten Hohn: Das Krim-Referendum war eine üble Farce. Die USA und die Europäische Union werden das Ergebnis nicht anerkennen, doch das bereitet Kreml-Chef Wladimir Putin keine schlaflosen Nächte. Der Fingerzeig auf Bruch des Völkerrechts mag berechtigt sein. Doch auch der Westen hat sich nicht gescheut, mehr...

  • WAZ: Korruption zerstört Staaten. Kommentar von Dietmar Seher Essen (ots) - Korruption geht nicht nur zulasten der Steuerzahler. Sie zerstört Staaten und Gesellschaften, unterminiert Wirtschaft und Wohlstand und die öffentliche Ordnung. Menschen verlassen korrupte Länder, weil sie ihnen keine Rechtssicherheit bieten. Den Anfängen zu wehren ist also auch Aufgabe der deutschen Politik. Sie tut das, aber mit Verzögerung. Der Bundestag hat erst verspätet auf die Aufforderung der internationalen Gemeinschaft reagiert, Abgeordnetenbestechung härter zu ahnden. Anfällig sind Kommunen. Vor Ort werden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht