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Aachener Zeitung: Kommentar: Alles ganz vertraut / Wie man in der Koalition miteinander umgeht / Von Peter Pappert

Geschrieben am 18-02-2014

Aachen (ots) - Zerstören lässt sich nur, was tatsächlich vorhanden
ist. Deshalb konnte das Vertrauen in der schwarz-roten Koalition
nicht zerstört werden. Die Klage der CSU, es sei zerstört worden,
entspringt politischem Kalkül. Gäbe es Vertrauen, hätte sich die
Affäre Edathy/Friedrich nicht zu einer Koalitionskrise auswachsen
können. Friedrich hatte den SPD-Vorsitzenden über den Verdacht gegen
Edathy informiert. Das war menschlich und koalitionspolitisch
nachvollziehbar, womöglich gar zuvorkommend, aber für den
Verfassungsminister, wie der Innenminister auch genannt wird,
unzuträglich. So haben es offenbar die Kanzlerin sowie der CSU-Chef
und Friedrich selbst eingeschätzt; sonst wäre er ja nicht
zurückgetreten. Ein Märtyrer ist er nicht. Die CSU versucht, aus
diesem Fall politisches Kapital zu schlagen. Anders ist die von ihr
aufgebaute Drohkulisse gegen die SPD nicht zu erklären. Die SPD müsse
sagen, wer was wann wem gesagt hat, heißt es aus der Union. Seehofer
klagt über Geschwätzigkeit der SPD. Die CSU unterstellt
unausgesprochen, dass Gabriel oder Steinmeier oder Oppermann
geplaudert haben. Das ist eine unbewiesene Vermutung. Gäbe es
Vertrauen zwischen beiden Seiten, würde es eine solche öffentliche
Auseinandersetzung von Koalitionspartnern mit all ihren Widersprüchen
nicht geben. Dann hätte man sich ruhig verständigt. Die CSU
verwechselt den Kabinettstisch mit einem antiken oder biblischen
Altar. Sie meint, Friedrich sei "geopfert" worden. Diesen Eindruck
erweckt sie um politischer Vorteile willen. Das ist weder
überraschend noch einzigartig. Es ist politisches Alltagsgeschäft,
das - aus eben diesem Grund - häufig auf Widerwillen derjenigen
stößt, denen Redlichkeit etwas bedeutet. Die Vorsitzende der
CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hat nun gesagt, die
inhaltliche Arbeit an Sachthemen und die Wiederherstellung des
Vertrauens in der Koalition müssten "ein Stück weit Hand in Hand
gehen". Dabei sei klar, "dass in Sacharbeit natürlich auch ein
Vertrauensbeweis liegen kann". Das ist feinste politische Prosa,
schön verklausuliert, eindeutig genug, aber nicht zu eindeutig.
Seehofer bestreitet, dass seine Partei Entgegenkommen in Sachfragen
(Stichworte: Maut, Energiewende) verlangt, um die Affäre
Edathy/Friedrich - jedenfalls koalitionspolitisch - abzuschließen.
Dass die Union bestimmte Erwartungen hat, ist jedoch offenkundig. Ein
derartiger Handel wäre politisch völlig unsachgemäß. Dass höchsten
Verantwortlichen der Republik solches zugetraut wird, ist ein
Armutszeugnis für die Politik. Leider muss man es ihnen - von
Erfahrung gesättigt - zutrauen. Jetzt feiert die Unionsfraktion
demonstrativ ihren Hans-Peter Friedrich, die SPD-Fraktion beklatscht
demonstrativ ihren Vorsitzenden Oppermann. Die drei Parteichefs
versuchen, die Gemü- ter zu beruhigen. Aber salbungsvolle Statements
können kein Vertrauen schaffen. Das muss wachsen. Was auf diesem
Koalitionsacker überhaupt noch wächst, erwartet man eher mit Skepsis
als mit Zuversicht. Ausgangspunkt der ganzen Affäre war der Verdacht
gegen den SPD-Politiker Edathy, sich unzulässige Fotos von nackten
Kindern verschafft zu haben. Die Affäre hat insofern sogar etwas
Gutes, als die Bundesregierung nun rechtliche Grauzonen, die es
offenkundig gibt, beseitigen will. Juristisch ist es äußerst
schwierig, abzugrenzen, was bei Darstellungen von Kindern oder
Jugendlichen verbotene Pornografie, was zulässige Freizügigkeit ist.
Opfer sind dabei immer die Kinder; ihr Wohlergehen muss oberste
Richtschnur sein. Nacktbilder von Minderjährigen geschäftsmäßig
herzustellen und/oder zu vermarkten, muss verboten werden.
Konsequenzen kann nicht nur die Politik ziehen. Jeder einzelne kann
und muss sich sehr gut überlegen, welche Fotos er von sich und erst
recht von seinen oder gar anderen Kindern bei Facebook einstellt oder
sonstwo im Internet veröffentlicht oder veröffentlichen lässt. Man
kann es auch einfach lassen; das ist möglich. Man kann es lassen!
Opa, Tante und Freundin können auf anderen Wegen mit Fotos versorgt
werden.



Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


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