(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu FDP

Geschrieben am 06-01-2014

Regensburg (ots) - Es ist ein bei den Liberalen immer noch
ungewohntes, ja bedrückendes Gefühl: Die FDP ist eine
Oppositionspartei außerhalb des Bundestages. Der Schock über den
Absturz in die politische Holzklasse sitzt tief. Auf dem Parteitag
vor vier Wochen in Berlin fand der große, personelle Kehraus statt.
Die einstige Übergangs-Führungsmannschaft von Philipp Rösler oder
Rainer Brüderle wurde sang- und klanglos abgehalftert. Der neue Stern
der FDP heißt seitdem Christian Lindner. Auch gestern riss der
begnadete Redner und Zögling von Übervater Hans-Dietrich Genscher den
immer noch zahlreichen FDP-Anhang im Stuttgarter Opernhaus wieder zu
stehenden Ovationen hin. Doch reicht das? Das Dreikönigstreffen im
urliberalen Stammland Baden-Württemberg war fast sechs Jahrzehnte
lang der programmatisch-kantige Auftakt der FDP. Heuer diente er vor
allem der Selbstvergewisserung: Wir sind noch - oder wieder - da!
Lindner hat mit seiner aufrüttelnden Rede - wie zuvor auf dem
Berliner Parteitag - den brutalen Absturz und das inhaltliche Vakuum
der FDP vergessen gemacht. Doch sein einstündiger Diskurs über
Europa, den Wert von Freiheit und Bürgerrechten, sozialer
Marktwirtschaft und Eigenverantwortung im Allgemeinen enthielt nichts
wirklich Neues. Lindner ist ein begnadeter Verkäufer abgestandener
Weisheiten. Nicht mehr und nicht weniger. Wie genau sich die "Partei
der Freiheit" jedoch wieder aus dem politischen Abseits
herausmanövrieren will, sagte Lindner nicht. Und was seiner neuen
Generalsekretärin Nicola Beer dazu einfiel, half auch nicht wirklich
weiter. Es nützt nichts, die FDP muss sich nicht nur durch eine
veränderte Personalriege, sondern auch durch eine frische politische
Agenda neu aufstellen. Als Ein-Themen-Partei der unbedingten
Steuersenkung, in die sie von Guido Westerwelle gepresst worden war,
hat sie jedenfalls gründlich Schiffbruch erlitten. Unter Lindner,
Kubicki und Co. irrlichtert sie noch durch die politische Landschaft.
Da wirken die Attacken der neuen FDP-Spitze gegen Schwarz-Rot, das
sich, kaum vereint, zurzeit immer weiter zerstreitet, oder gegen die
Europaskeptiker der Alternative für Deutschland (AfD) zwar erst
einmal wie Doping für den eigenen Laden, doch auf Dauer wird sich die
FDP nicht als "Dagegen"-Partei etablieren können. Das können andere
besser, hemmungsloser. Zumindest hat die neue Führungsriege um
Lindner, dem letzten Hoffnungsträger der Partei, den Stil geändert:
zuhören, auf die Wähler zugehen, Demut statt Besserwissen, herzlich
statt herzlos und überheblich. Auch aus der fast sklavischen
Abhängigkeit von der Union hat sich die FDP unter Lindner gelöst. Sie
bemüht sich zumindest, selbstbewusst nach rechts und nach links, vor
allem aber nach vorn zu blicken. Es gibt ein paar Hoffnungsschimmer.
Viel Zeit zur gründlichen Neuausrichtung bleibt der
außerparlamentarischen FDP allerdings nicht. Im März stehen die
ersten Kommunalwahlen, im Mai die Europawahl und im Herbst gleich
drei Landtagswahlen an. Bereits dann muss Lindner "liefern". Sind die
Liberalen dabei erfolgreich, wird der junge Parteichef weiter als
König gefeiert. Scheitert die neuformierte FDP jedoch, werden latente
Flügelkämpfe erneut ausbrechen, wird man irgendwann Lindners Kopf
fordern. Die Zukunft der Partei ist offen. So oder so.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

504888

weitere Artikel:
  • Westdeutsche Zeitung: Ein Placebo aus dem Justizministerium = von Olaf Steinacker Düsseldorf (ots) - Justizminister Heiko Maas ist gerade drei Wochen im Amt - und schon ist Feuer unterm Dach. Dabei las sich im mühsam ausgehandelten Koalitionsvertrag alles so wunderbar. Grundsätzlich haben weder Schwarz noch Rot ein Problem damit, dass Telekom-Unternehmen ohne konkrete Gefahr oder Anfangsverdacht massenhaft Daten über den Telefon- und E-Mail-Verkehr von unbescholtenen Menschen speichern. Vor allem die Hardliner aus dem bayrischen Freistaat wird das gefreut haben. In der neuen Koalition müssen sich die Christsozialen mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Fatale Wirkung auf die Wähler Leitartikel von Florian Kain über den Streit um Pkw-Maut, Energiewende und Vorratsdatenspeicherung. Berlin (ots) - Es ist fraglos ein besonderes Déjà-vu, das uns die Akteure der großen Koalition pünktlich zum Start ins neue politische Jahr bescheren. Man hätte gerne darauf verzichtet. Angela Merkel war gerade verletzt aus den Skiferien nach Berlin zurückgekehrt, da gingen manche ihrer Minister und Fachpolitiker schon aufeinander los wie Union und FDP in überwunden geglaubten Zeiten. Beleidigungen wie "Gurkentruppe" und "Wildsau" waren bislang zwar noch nicht zu hören. Aber wer tatsächlich angenommen hatte, dass die wochenlangen mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: Merkels Streithähne / Kommentar von Bernd Hilder zum Start der Großen Koalition in Berlin Weimar (ots) - Neue Koalitions-Regierungen stürzen sich in aller Regel in ambitionierte Pläne, die dann im Laufe der Jahre auf das realistisch Umsetzbare abgeschliffen werden. Proportional zur Dauer der Regierungsmühsal wächst meistens die Bereitschaft zum Streit. Das wäre fast schon normal. Bei Merkels zweiter Großer Koalition ist das anders. Anstatt Großes in Angriff zu nehmen, stürzt sich das schwarz-rote Kabinett runde drei Wochen nach der Vereidigung in kleinliche Zankereien über den politischen Kurs. Dabei ist bemerkenswert, mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Im Grenzbereich Gröhe will neues Sterbehilfe-Gesetz Cottbus (ots) - Bahnt sich da ein weiterer Koalitionskonflikt an? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe macht sich für eine neue Regelung zur Sterbehilfe stark. Doch nichts dergleichen findet sich im Koalitionsvertrag. Dass das sensible Thema viel gesellschaftlichen Konfliktstoff bietet, hat schon die jahrelange Diskussion um die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung gezeigt. Gleich drei fraktionsübergreifende Vorlagen standen dazu seinerzeit im Bundestag zur Debatte. Und im Kern ging es stets um die Frage, in welchem Maße der mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Minister de Maizière beim Beamtenbund¶ Das ist Ihre Chance! BERNHARD HÄNEL, KÖLN Bielefeld (ots) - Beim zweiten Mal soll ja angeblich alles besser werden. Und so vermittelte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Ernennung zum Bundesinnenminister den Eindruck, er wolle sich diesmal mehr als in seiner ersten Amtszeit um die Belange des öffentlichen Dienstes und seiner Bediensteten kümmern. Anders als vor gut zwei Jahren hatte der CDU-Politiker offensichtlich die ihm vorab zugestellte Rede des dbb-Chefs gelesen und ging inhaltlich auf sie ein. Das zumindest gibt mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht