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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition Fehlende Balance Hannes Koch, berlin

Geschrieben am 20-12-2013

Bielefeld (ots) - Auch die neue Bundesregierung ist eine
Wirtschaftsregierung. Die Prioritätensetzung ist eindeutig. Der
Koalitionsvertrag von Union und SPD beginnt mit den Kapiteln über die
Wirtschaftspolitik. Da steht vieles, was Unternehmer gerne hören. Das
Freihandelsabkommen mit den USA will die Koalition vorantreiben. Die
Wirtschaftsförderung genießt große Beachtung - bis ins Detail werden
Maßnahmen zugunsten aller möglichen Technologien durchbuchstabiert.
Forschung und Entwicklung sollen mehr Geld bekommen, Daten- und
Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Ja, hier und da will die
Regierung auch neue Regulierungen einführen, die die
Handlungsfreiheit der Wirtschaft etwas einschränken. Natürlich ärgert
es viele Firmen, dass sie wegen des Mindestlohns bald höhere
Lohnkosten verzeichnen. Aber insgesamt überwiegt der Eindruck, dass
diese Regierung die Unternehmen in Ruhe arbeiten lässt. Hauptsache,
sie erfinden, produzieren, machen Gewinne und bieten Arbeitsplätze.
Dieses Wohlwollen gegenüber der Wirtschaft ist nicht neu. Es gehört
zu den Konstanten der deutschen Politik. Aber ist wirklich nichts
wichtiger als Wirtschaft? Richtig ist: Die Bürger wollen essen,
wohnen und konsumieren. Für die Befriedigung dieser materiellen
Bedürfnisse sorgen ganz wesentlich die kleinen und großen Betriebe,
indem sie produzieren, verkaufen und etwa zwei Drittel ihrer
Einnahmen als Lohn und Sozialbeiträge zugunsten der Arbeitnehmer
ausschütten. Andererseits können die Unternehmen nicht effizient
arbeiten, ohne dass der gesellschaftliche Rahmen stimmt. Sie sind
daran gewöhnt, dass sie schnell und verlässlich Baugenehmigungen
bekommen, ihre Beschäftigten über ausreichende EDV-Kenntnisse
verfügen, um die millionenteuren Produktionsstraßen zu bedienen, und
die Autobahn frei ist für die Lkw, die die fertigen Produkte abholen.
Diese öffentlichen Güter stellen Gesellschaft und Staat zur
Verfügung. Dazu gehört beispielsweise Sicherheit in juristischer,
sozialer und polizeilicher Hinsicht, Bildung und Mobilität. Zu
solchen Aspekten steht im Koalitionsvertrag zu wenig - und wenn sie
erwähnt werden, zu wenig Konkretes. Zwischen der Ökonomie und ihren
gesellschaftlichen Voraussetzungen fehlt die Balance. Ein Beispiel:
Wie Ökonomen immer wieder vorrechnen, hat Deutschland während des
vergangenen Jahrzehnts die Pflege seiner Infrastruktur
vernachlässigt. Autobahnbrücken, Bahnhöfe, Straßen, Schulen - vieles
ist marode und notdürftig geflickt. Weil das Internet in ländlichen
Regionen zu langsam läuft, geht es für manchen Handwerker schneller,
seinen Geschäftspartner persönlich zu besuchen, als ihm eine E-Mail
zu schicken. Deshalb immerhin wurde Alexander Dobrindt (CSU) als
Digital-Minister berufen. Trotzdem fehlen Dutzende Milliarden Euro
jährlich, die nötig wären, den Rückstand des Landes aufzuholen. Woher
das Geld kommen soll? Aus dem Wirtschaftswachstum, hofft die
Koalition, ohne sich genauer zu erklären. Davor, dass der Staat trotz
der scheinbar guten Finanzlage dramatisch unterfinanziert ist,
verschließen Union und SPD die Augen. So verweigern sie sich dem
Blickwinkel des Allgemeinwohls. Lieber orientieren sie sich an den
Partikularinteressen, die ihnen die Wirtschaftsverbände vortragen.
Wenn der augenblickliche Boom vorbei ist, könnte sich diese
Sorglosigkeit der deutschen Wirtschaftsregierung rächen.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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