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Badische Zeitung: Merkel als Oberlehrerin: Kanzlerin scheitert mit dem Plan, unwillige Länder auf Reformen zu verpflichten - Kommentar vom Daniela Weingärtner

Geschrieben am 20-12-2013

Freiburg (ots) - Beim Versuch, reformunwillige Euroländer zu
rechtlich bindenden Verträgen mit der EU-Kommission zu nötigen, hat
sich die Bundesregierung die Zähne ausgebissen. Nachdem sich
Deutschland in den Verhandlungen zur Bankenunion unnachgiebig
gegenüber den Nöten der Krisenländer zeigte, ist dort die
Bereitschaft auf Null gesunken, deutschen Wünschen entgegenzukommen.
Vor dem Gipfel hatte die Bundesregierung heftig die Werbetrommel
gerührt für ihre Idee, Reformbereitschaft mit wirtschaftlichen
Anreizen zu belohnen. Es ist ein weiterer Versuch Berlins, die
wirtschaftspolitische Koordinierung im Euroraum verbindlicher zu
machen. Dahinter steht die Überzeugung, dass die gemeinsame Währung
auf Dauer nur Bestand haben kann, wenn sich die Strukturdaten der mit
dem Euro wirtschaftenden Länder stärker angleichen. Dabei geht es um
Kostenfaktoren wie das Renteneintrittsalter, Sozialleistungen,
Bildung und das Gesundheitssystem. Als Beispiel nannte Angela Merkel
das gemeinsame Ziel, die Forschungsausgaben im gesamten Euroraum auf
drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Könne ein Land
wie Spanien oder Portugal diese Ausgaben wegen seiner angespannten
Haushaltslage nicht stemmen, dann müsse die EU finanziell
einspringen. Pikant an diesem Beispiel ist, dass Deutschland selber
das Drei-Prozent-Ziel nur mit knapper Not erreicht. Frankreichs
Präsident François Hollande erklärte pikiert, sein Land brauche keine
finanziellen Anreize, um Reformen durchzuführen. Das schaffe man auch
so. Auf dem Gipfel sträubten sich aber nicht nur Länder wie Spanien,
Frankreich oder Griechenland, die wegen schleppender Strukturreformen
als mögliche Kandidaten für derartige Reformverträge gelten. Auch
wirtschaftlich prosperierende EU-Mitglieder wie die Niederlande
sprachen sich gegen solche Vereinbarungen aus, weil sie neue Ausgaben
auf sich zukommen sehen. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten will
genauer wissen, wie die finanziellen Anreize aussehen könnten und wo
das Geld herkommen soll. Erst im kommenden Oktober will sich der
Europäische Rat wieder mit dem Thema befassen. Die gereizten
Reaktionen zeigen, dass Deutschland seine Rolle als Lehrmeister der
EU überzogen hat. Viele Länder haben es satt, sich das deutsche
Erfolgsmodell vor die Nase halten zu lassen mit der Empfehlung, es
einfach zu kopieren. Die Bewunderung gegenüber deutscher Effizienz
und Tüchtigkeit ist bei vielen umgeschlagen in Überdruss und Häme.
Natürlich ist es nicht fair, das gewaltige Engagement zu vergessen,
mit dem deutsche Steuerzahler in Griechenland, Zypern oder Spanien
die Staatspleite verhindert haben. Aber Belehrung und Bevormundung
provozieren selten freundliche Reaktionen. Beim nächsten Gipfel
sollte Angela Merkel sich nicht als Oberlehrerin aufführen, sondern
sich lieber auf ihre diplomatischen Qualitäten besinnen.



Pressekontakt:
Badische Zeitung
Anselm Bußhoff
Telefon: 07 61 - 4 96-0
redaktion@badische-zeitung.de


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