Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
EU-Ukraine-Politik
Diplomatische Leseschwäche
Knut Pries, Brüssel
Geschrieben am 29-11-2013 |
Bielefeld (ots) - Es ist kein Glanzstück diplomatischer Kunst, was
die Verantwortlichen der EU-Nachbarschaftspolitik in Sachen Ukraine
hingelegt haben. Sie haben die Grundtugend jeder erfolgreichen
Strategie im Umgang mit Dritten vermissen lassen:
Dechiffrierkompetenz. Es fehlt an der Fähigkeit zu begreifen, was der
andere will und wie er seine Ziele verfolgt. Bis unmittelbar vor dem
Vilnius-Gipfel ging die EU davon aus, dass sie mit dem
unterschriftsreifen Partnerschaftsabkommen dem ukrainischen
Präsidenten Janukowitsch eine attraktive Wohlverhaltensprämie
anzubieten habe. Um dieses Preises willen werde er womöglich in
letzter Minute über seinen Schatten springen und seine Erzrivalin
Timoschenko aus dem Gefängnishospital entlassen. Eine
Fehlkalkulation. Nicht nur dachte Janukowitsch nicht daran,
Timoschenko Freiheit oder mindestens Behandlung in Deutschland zu
gewähren. Er verschmähte auch den vermeintlich unwiderstehlichen
Super-Köder. Wie das? Die EU-Oberen sind ratlos, was Janukowitsch
getrieben haben mag, ein unter seiner Ägide ausgehandeltes Abkommen
unerledigt zu archivieren. Die Pauschalantwort lautet: "Putin." Das
ist plausibel, aber nicht annähernd präzise genug. Welche Mischung
aus Zuckerbrot und Peitsche es war, die der russische Präsident so
wirksam zum Einsatz brachte; was davon Janukowitsch entscheidend
beeindruckte; wie weit der ukrai-nische Staatschef gar nicht
nationale, sondern persönliche Interessen im Auge hat - zu all dem
gab und gibt es jede Menge Spekulationen, aber wenig Gewissheit.
Eindeutiger ist das, was sich auf dem Maidan, dem
Unabhängigkeitsplatz in Kiew, tut. Dort artikuliert sich ein massiver
proeuropäischer Protest, vor allem der jüngeren Generation. Daraus,
immerhin, scheint die EU die richtigen Schlüsse zu ziehen: Das
Angebot einer engen Partnerschaft muss die Absage durch Janukowitsch
überdauern. Die Frage bleibt: Wie soll man umgehen mit den Ambitionen
Russlands unter dem postimperialen Ehrgeizling Putin? Eine schöne
Aufgabe für den künftigen Bundesaußenminister.
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Neue Westfälische
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