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Rheinische Post: Die schwarz-rote Schönwetterkoalition Leitartikel von Michael Bröcker

Geschrieben am 27-11-2013

Düsseldorf (ots) - Der Titel des Koalitionsvertrags von Union und
SPD lautet: "Deutschlands Zukunft gestalten." Passender wäre wohl
gewesen: Deutschlands Zukunft gefährden. Denn was die Unionsparteien
und die SPD in einer - offenbar zu langen Verhandlungsnacht - an
Milliardenausgaben in den Sozialsystemen beschlossen haben, grenzt an
einen Anti-Generationenvertrag. Ob die Mehrausgaben der neuen
Bündnispartner nun bei 30 oder doch 40 Milliarden Euro liegen, ist
dabei zweitrangig. Entscheidend ist, dass mit der Mütterrente, der
Erwerbsminderungsrente, der Rente mit 63, der Lebensleistungsrente
finanzielle Belastungen für Sozialkassen und Haushalte beschlossen
wurden, die in einer alternden Gesellschaft Jahr für Jahr immer
teurer werden. Die endgültige Zeche zahlt dann die künftige
Erwerbsgeneration, die nicht nur die demografische Schieflage durch
eine schrumpfende Bevölkerung bewältigen muss, sondern auch die
Sozialtaten vergangener Zeiten begleichen muss. Zugleich korrigieren
Union und SPD damit nicht nur die eigenen Errungenschaften bei der
Rente mit 67, sondern geben mit vollen Händen aus, was Millionen von
Arbeitern, Angestellten, Selbstständigen und Unternehmern in den
vergangenen Jahren erwirtschaftet haben. Mit dem Presslufthammer
bearbeiten die Koalitionäre das Fundament einer Gesellschaft, die
sich im globalen Wettbewerb behaupten muss. Der Mindestlohn wird,
weil gesetzlich über alle Branchen und Regionen diktiert, ebenfalls
Jobs kosten und die gesellschaftlichen Kosten für Arbeitslosigkeit in
die Höhe treiben. Bundesfinanzminister Schäuble hat ausrechnen
lassen, dass die Lohnfestsetzung selbst bei konservativer Schätzung
mehr als eine halbe Million Jobs vernichtet. Da fehlt Einkommen, das
Arbeitnehmern wie auch dem Staat zugutegekommen wäre. Und was sagt zu
all dem die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin? In guter
konjunktureller Lage könne man sich das erlauben. Wenn ein
portugiesischer oder griechischer Ministerpräsident auf einem
EU-Gipfel seine Finanzpolitik so erklären würde, hätte ihn Angela
Merkel schleunigst zu einem Vier-Augen-Gespräch ins Kanzleramt
zitiert. Und richtig teuer wird es ja auch erst, wenn Angela Merkel
nicht mehr im Amt ist. Also 2017 und später. Von Nachhaltigkeit ist
im Koalitionsvertrag deshalb wohl auch nur bei Umweltschutz und
Rohstoffversorgung die Rede, nicht im Kapitel Finanzpolitik. Es ist
die ganz große Schönwetter-Koalition, die sich da in Berlin ans
Regieren macht. Dass sich die gute wirtschaftliche Lage in
Deutschland nicht per Gesetz für die nächsten vier Jahre beschließen
lässt und dass weltweit Schwellenländer gerade massiv ökonomisch und
gesellschaftlich aufholen, hat die Kanzlerin im Wahlkampf oft
erwähnt. Nur lässt sie dieser Erkenntnis im Koalitionsvertrag kaum
Taten folgen. Natürlich ist es schön, wenn langjährig Versicherte
abschlagsfrei in Rente gehen können. Natürlich haben ältere Mütter
eine finanzielle Würdigung ihrer Arbeit verdient. Auch Kommunen und
Schulen brauchen mehr Geld. Die Frage ist, ob Deutschland sich alles
gleichzeitig leisten kann? Der SPD-Vorsitzende und dessen Furcht vor
einem Veto der Parteibasis haben die CDU-Chefin, vor wenigen Monaten
noch mit einem satten 42-Prozent-Ergebnis der Wählerschaft
ausgestattet, inhaltlich überrollt. Was bietet die CDU denn den
Aufsteigern, den Leistungsbereiten, den Jungen, den Fleißigen? Also
denjenigen, die sie hauptsächlich gewählt haben. Selbst
Minimalangebote an die Leistungsträger, etwa die Beseitigung der
ungerechten kalten Progression im Steuerrecht, die Mehrarbeit und
Aufstiegswillen geradezu bestraft, wurden aus dem schwarz-roten
Vertragswerk gestrichen. Ist das Politik für mehr
Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung? "Ich denke niemals an die
Zukunft. Sie kommt früh genug", hat Albert Einstein mal gesagt. Die
künftige Koalition hat dies scheinbar zu genau genommen.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


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