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Westfalen-Blatt: zum Thema Wulff-Prozess

Geschrieben am 13-11-2013

Bielefeld (ots) - Wäre das Wort »Peanuts« nicht ein für allemal
verbrannt, in der Causa Wulff wäre der Begriff gut zu gebrauchen. Die
lässige Umschreibung für einen nicht sonderlich nennenswerten
Geldbetrag hat das Zeug, eine ganze Staatsaffäre infrage zu stellen.
719,40 Euro beträgt der Betrag, wegen dessen Christian Wulff von
heute an 22 Tage vor Gericht steht. Nehmen wir die absehbare zweite
Runde vor dem Bundesgerichtshof hinzu, wird uns diese eine und
einzige Schlüsselfrage noch Jahre beschäftigen: Hat Filmproduzent
David Groenewold von seinen Freund Christian Wulff gegen die Annahme
von 719,40 Euro einen Vorteil gefordert? Eine Hotelrechnung -
einschließlich Restaurantleistungen und Kosten für ein Kindermädchen
- ist als strafrechtlich relevant übrig geblieben. Das ist die ganze
Ausbeute der Staatsanwaltschaft Hannover, die einen Wust von
Verdächtigungen, Vorwürfen und Belanglosigkeiten durchackerte. Von
einem Kredit unter Freunden über Promi-Dinner und zwei Sylt-Reisen
bis zur Bobbycar-Beigabe eines eilfertigen Autoverkäufers reichte
einst die Skandalliste. Der vierten Gewalt im Staate, der Presse, bot
das Tableau reichlich Stoff für eine Story um aufgeregte Telefonate
mit der »Bild«-Zeitung, politische Intrige und das Ende einer Liebe.
Vor der Judikativen, der dritten Gewalt im Staate, fällt die Bilanz
weit magerer aus. Justitia wird allein Wulffs Besuch auf dem
Oktoberfest 2008 in den Blick nehmen. Für alle anderen Aspekte ist
die deutsche Rechtsfindung blind. Ihr Urteil wird am Ende frei von
Rechtsfehlern, politisch aber nicht das letzte Wort sein. Wulff hat
hohe moralische Ansprüche an andere gestellt, er selbst muss sich der
Doppelmoral zeihen lassen. Er konnte auch nicht verhindern, dass sein
Amtsverzicht als Schuldeingeständnis verstanden wurde. Deshalb will
er eine Klarstellung, deren Erreichen keineswegs sicher ist. In
Deutschland gelten für Staatsvertreter neben den Regeln des
Rechtsstaats Kriterien wie Empörung, Emotion und moralischer
Rigorismus. Sie zu erschüttern hat Wulff kaum eine Chance. Der Jurist
Wulff und dessen Anwälte verengen den Fall allein auf die
Rechtsfrage. Ein hoch bezahlter Ministerpräsident werde sich wohl
kaum durch die Übernahme einer Hotelrechnung zur Vorteilsgewährung
hinreißen lassen, argumentiert die Verteidgung. Im übrigen hätte er
sich die Übernachtung in München auch vom Steuerzahler bezahlen
lassen können. So verkürzt erscheint die Anklage tatsächlich als
Popanz, als brüchiges Konstrukt, das mit Pauken und Trompeten vom
Richtertisch gefegt werden könnte. Wulff ist tief verletzt und
gebrochen. Seine innere Wunde heilt nur durch die Inkaufnahme
weiteren Schmerzes. Die Einstellung des Verfahrens gegen eine
Geldauflage hat er abgelehnt. Er will diesen Prozess, keinen
Kompromiss und nicht weniger als einen Freispruch erster Klasse.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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