(Registrieren)

Rheinische Post: Die neue SPD - links und frei

Geschrieben am 13-11-2013

Düsseldorf (ots) - Nehmen wir an, der gesunde Menschenverstand
würde heute beim SPD-Bundesparteitag in Leipzig Regie führen. Dann
müsste es ein Scherbengericht für die SPD-Führung geben. Die Partei
wurde bei der Bundestagswahl mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis in
der bundesrepublikanischen Geschichte abgestraft. Seit 1998 hat die
SPD knapp neun Millionen Wähler verloren. Die Themen verpufften, beim
Haustürwahlkampf blickten die Genossen in enttäuschte Gesichter. Die
Deutungshoheit über die Mitte der Gesellschaft, die SPD-Chef Sigmar
Gabriel im Herbst 2009 eingefordert hatte, hat die stolze Partei an
die 42-Prozent-Kanzlerin abgegeben. Anlass genug für eine
Wahlanalyse. Eigentlich. Doch was wird passieren? Die SPD will eine
neue Machtoption für 2017 beschließen. Um von der ungeliebten
Koalition mit der Union abzulenken, retten sich die Spitzengenossen
in eine rot-rot-grüne Zukunft. "Links und frei", so lautete einst der
Titel der Willy-Brandt-Autobiografie. Das ist aus zwei Gründen
bedauerlich. Zunächst einmal belegt der Kurs, dass der SPD-Chef die
politische Mitte weiterhin links verortet. Weite Teile der
Linkspartei verharmlosen das DDR-Regime, sie wollen die Nato auflösen
und Spitzenverdiener fast prohibitiv besteuern. SPD-Chef Gabriel
selbst erinnerte im Wahlkampf angewidert daran, dass Abgeordnete der
Linken beim Besuch des israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres
2010 im Bundestag antisemitische Tendenzen offenbarten. Nun also ein
möglicher Bündnispartner. Warum fragt sich die SPD nicht, ob die Wahl
vielleicht auch deshalb verloren wurde, weil viele Bürger zwar den
pragmatischen Finanzexperten Peer Steinbrück, aber nicht das vor
Sozialstaatsromantik wimmelnde Programm wählen wollten? Wie viel
sozial gerechter soll das Programm 2017 denn aussehen? Zurück zur
Rente mit 65? Bedingungsloses Grundeinkommen? Zweitens lenkt die
Parteiführung unnötig von der viel wichtigeren Debatte ab, ob die
große Koalition nicht auch eine große Chance für das Land und die SPD
sein könnte. Tatsächlich hat die Sozialdemokratie bei den Themen
Mieten, Niedriglohnsektor, doppelte Staatsbürgerschaft,
Volksentscheid und Familienpolitik schon jetzt inhaltliche Erfolge
erreicht. Die SPD könnte das gesellschaftspolitische Korrektiv in
einer großen Koalition sein, sich als Partei der Aufsteiger und der
Chancengerechtigkeit etablieren. Sie könnte sich politisch
emanzipieren von ihrer Logik der Staatsfürsorge. In seiner
Autobiografie hatte Willy Brandt die sozialliberale Ära als Weckruf
für die verkrustete Gesellschaft begründet. Davon ist die Gabriel-SPD
weit entfernt.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

496680

weitere Artikel:
  • Ostsee-Zeitung: Konmmentar zum Mohnanbau in Afghanistan Rostock (ots) - Schon unmittelbar nach der Vertreibung der rigiden Taliban 2001 und damit unter den Augen der Nato hat sich das Land am Hindukusch zu einem Drogenmafia-Staat entwickelt. Afghanistans Wirtschaft hängt genauso "an der Nadel" wie ein Teil der Politiker-Kaste in Kabul. So ist es ein offenes Geheimnis, dass Ahmad Wali Karsai - genannt der "König von Kandahar" und obskurer Halbbruder des amtierenden Präsidenten - bis zu seiner Ermordung 2011 den Opiumhandel im Landessüden kontrollierte und enge Verbindungen zum US-Geheimdienst mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zur großen KOALITION Ulm (ots) - Erfahrung macht weise, sagt der Volksmund. Diese wird den fünf Sachverständigen gewiss niemand absprechen. Doch sind ihre Vorschläge auch klug? Falsch ist gewiss, ihre Kritik an den möglichen schwarz-roten Koalitionären pauschal als absurd abzutun. In ihrem Gutachten findet sich Bedenkenswertes. Da warnen die Professoren Union und SPD davor, Mütterrenten, niedrige Ruhegelder und Ausnahmen von der Rente mit 67 über die Rentenkasse zu finanzieren. Wer solche Maßnahmen wünscht, hat sie aus Steuermitteln zu zahlen und nicht mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu EU Stuttgart (ots) - Gewiss - die Überschüsse der Deutschen sind zugleich die Defizite der anderen. Doch die Überschüsse werden nicht etwa durch Manipulationen erzielt, sondern dadurch, dass alle Welt sich nach Autos und Maschinen aus dem Inland verzehrt. Wenn auch andere Länder mit mehr hochwertigen Produkten an den Markt gingen, würden die Defizite innerhalb der EU automatisch geringer. Doch das kostet viel Kraft. Da erscheint es manch einem Europäer attraktiver, die Deutschen für ihre Erfolge abzustrafen. Doch wer ist dann noch da, mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Am Ende eine Chance / Kommentar zu Wulff Mainz (ots) - Als junger Mann hat Christian Wulff seine kranke Mutter gepflegt, während seine Kumpels feierten. Natürlich macht das alleine aus ihm noch keinen guten Menschen. Und natürlich kann das nicht entschuldigen, was fürchterlich falsch gelaufen ist in der Amtszeit des Bundespräsidenten Wulff, der böse Fehler begangen hat, für die er geradestehen muss. Aber es kann manches erklären. Da wurde einer wahrlich nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, darin Gerhard Schröder nicht unähnlich, freilich nicht mit dessen Straßenkämpferqualitäten mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Schulsystem in Sachsen-Anhalt Halle (ots) - Das Bildungssystem ist längst durch die Interessen von Lehrern, Eltern und Wirtschaft deformiert: Je nach politischer Mehrheit geht es mal in die eine, mal in die andere Richtung - und immer weiter wird reguliert. In der Oberstufe sollen Schüler mit doppelter Gewichtung von Noten in einem schon differenzierten Fächerspektrum ihre Abi-Note beeinflussen können. Formalisierter geht es kaum. Das mag Schule sein, mit dem Leben hat das nichts zu tun. Pressekontakt: Mitteldeutsche Zeitung Hartmut Augustin Telefon: 0345 mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht