(Registrieren)

"DER STANDARD"-Kommentar: "Eindimensionale Einschnitte" von Gerald John

Geschrieben am 28-10-2013

Das Pensionsproblem ruft nach Reformen - doch diese dürfen
nicht einseitig ausfallen (ET 29.10.2013)

Wien (ots) - Sozialminister Rudolf Hundstorfer will sich in die
Koalitionsverhandlungen nicht reinquatschen lassen: Diesen Eindruck
legt sein Umgang mit der Pensionskommission nahe. Eigentlich sollte
das Gremium aus Experten und Interessenvertretern laut Gesetz bis
Monatsende einen Bericht mit etwaigen Reformvorschlägen beschließen,
doch den entsprechenden Entwurf lässt das Ministerium erst heute
diskutieren. In den verbleibenden zwei Tagen kann kaum etwas
Handfestes herauskommen.

Dabei bietet das auf Daten von Statistik Austria, Wifo und IHS
basierende Gutachten auch dem SP-Minister Argumentationshilfen:
Sollte sich bei einem Kassasturz der Koalition ein neues Budgetloch
auftun, dann sind daran nicht die Pensionen schuld. In der nächsten
Regierungsperiode wird der Steuerzuschuss ins System laut Prognose
nur unwesentlich von 2,8 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes
steigen, und auch in den folgenden zehn Jahren schaut's nicht düster
aus. Der Aufwand steigt zwar, hält sich aber im allseits als
verkraftbar angesehenen Referenzrahmen.

Danach fällt jedoch die rasant wachsende Gruppe der Senioren
massiv ins Gewicht. Bis 2050 soll sich der Aufwand für das
ASVG-System gemessen am BIP verdoppeln. Auch wenn das Auslaufen der
Beamtenpensionen im Gegenzug satte Einsparungen bringt, werden die
Kosten der Pensionen insgesamt deutlich anschwellen. Für die
Regierung heißt das: Die bisherigen Reformen sind sinnvoll, reichen
aber nicht aus. Es braucht weitere Maßnahmen - nur dürfen diese nicht
allein zulasten der Versicherten ausfallen.

In der Debatte der Experten und Medien dominiert eine
eindimensionale Sichtweise: Arbeitsmüde Bürger nützten ein zu
großzügiges System aus, um in Frühpension zu entfleuchen. Doch die
viel zitierten "Schlupflöcher" à la Hacklerregelung sind nur ein Teil
der Realität. Der Ruf nach immer neuen Einschnitten ignoriert, dass
es solche längst gibt. Die Abschläge für die reguläre Frühpension
sind laut Experten bereits höher als versicherungsmathematisch nötig,
andere Verschärfungen lassen die Ruhebezüge im Verhältnis zu den
Arbeitseinkommen sinken. Der vorzeitige Abgang aufs Altenteil kostet
den Einzelnen oft viel Geld - und trotzdem steigt das Antrittsalter
nur langsam.

Das Pensionsproblem ist eben vielschichtig. Grundvoraussetzung für
eine Lösung: Jobs, die Arbeiten bis ins höhere Alter möglich machen.
Mehr als 27.000 Menschen gingen im Vorjahr in Invaliditätspension,
ein erschreckend großer Teil aus psychischen Gründen. Vielfach
vorgespielte Leiden? Dann würden diese Leute im Schnitt wohl kaum 15
Jahre früher sterben als gewöhnliche Alterspensionisten.

Der Staat muss durch Gesundheitsvorsorge, Rehabilitation und
Umschulung nicht nur (mehr) Alternativen zur Frühpension anbieten,
sondern auch die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Man braucht
nicht lange nach Unternehmen zu suchen, die Arbeitskräfte zum
frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente drängen. Ein Bonus-Malus-System
ist hoch an der Zeit: Wer ältere Bedienstete systematisch abschiebt,
soll Folgekosten aufgebürdet bekommen.

Von gezielter Investitionspolitik bis zum Ausbau der Angebote für
Kinderbetreuung lässt sich noch vieles mehr tun, um Menschen in Jobs
zu halten und zu bringen. Reformen dürfen nicht nur an den Schrauben
des Systems ansetzen: Der Kampf um sichere Pensionen wird vor allem
am Arbeitsmarkt entschieden.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

493606

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Tachobetrug Halle (ots) - Eine Studie der Magdeburger Uni hat nachgewiesen, dass es die Autobauer den Tachomanipulatoren praktisch schon ab Werk leicht machen, die Zahlen zurück zu drehen. Sie sollen nicht alles ausschöpfen, was sicherheitstechnisch möglich wäre, weil sie der Kundschaft ein Null-Kilometer-Auto anbieten möchten, dass nicht durch eventuelle Probefahrten im Werk belastet ist. Was Autohersteller dazu sagen ist klar. VW, Europas größter Autokonzern: Wir tun sowas nicht. Überprüfbar ist das nicht. So bleibt momentan an den Herstellern mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Phantomtor Halle (ots) - Knackpunkt des Urteils: Tatsachen-Entscheidungen sind nicht revidierbar. Sie stehen wie in Stein gemeißelt, weil es der Fußball-Weltverband so festgelegt hat. Wer dagegen verstößt, bekommt die Macht der Fifa zu spüren. Als 1994 der DFB ein Phantom-Tor von Bayern-Profi Thomas Helmer annullierte und auf Wiederholungsspiel entschied, drohte die Fifa mit Sperren für deutsche Klubs. Nichts hat sich seitdem geändert. Also fürchtete der DFB feige die Konfrontation, urteilte im Sinne der Hüter antiquierter Regeln und mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Fall Gaschke Halle (ots) - Eine komplizierte Sachfrage, Gaschkes hochmütige Uneinsichtigkeit und alte Intrigen in der an Intrigen reichen Landes-SPD ergaben jenen Cocktail, mit dem man wohl jede deutsche Großstadt zum Kochen hätte bringen können. Aber natürlich ist der Fall auch exemplarisch. Zurecht empört sich das Volk ja immer mal wieder über machtpolitischen Zynismus. Andererseits demonstriert die nun endende Affäre, dass in der Politik nur die Schachspieler überleben, die berechnend Zug um Zug setzen und auch den Winkelzug beherrschen. mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Irrsinn / Kommentar zur Energiewende Mainz (ots) - Es gibt kaum ein politisches Projekt der jüngeren Vergangenheit, auf das das Stichwort mit den vielen Köchen und dem Brei so sehr zutrifft wie die Energiewende. Es köchelten und köcheln: die Kanzlerin, die in staunenswerter Manier zur Anti-Atom-Aktivistin wurde, ohne eine Idee zu haben, wie man das Projekt an ein gutes Ende steuert. Das hinderte ihren verblichenen liberalen Koalitionspartner nicht daran, so viele Betriebe wie möglich von dem Vorhaben auszunehmen und dieses somit von Anfang an für die übrigen Zahler spürbar mehr...

  • Weser-Kurier: Über die Mauer gegen Syrer schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 29. Oktober 2013: Bremen (ots) - Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", versicherte einst Walter Ulbricht und zementierte dennoch die Teilung Berlins. Beim Bau der beiden Mauern in Bulgarien und der Türkei klingt es kaum anders: Niemand habe die Absicht, verfolgten Syrern das Menschenrecht auf Asyl zu verweigern. Man wolle sie nur ordnungsgemäß erfassen, heißt es aus dem bulgarischen Innenministerium. Man wolle nur die Schmuggler fernhalten, heißt es von der türkischen Regierung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Böses muss man aber leider mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht