(Registrieren)

"DER STANDARD"-Kommentar: "Last Exit große Koalition" von Birgit Baumann

Geschrieben am 16-10-2013

Das schwarz-grüne Scheitern verdammt Merkel und die SPD zu
einem Bündnis - Ausgabe vom 17.10.2013

Wien (ots) - Noch eine Stunde länger mit den Grünen sondiert, und
CSU-Chef Horst Seehofer hätte - als es dann doch nicht klappte -
geweint. Das nämlich ist das überraschendste Ergebnis des deutschen
Sondierungs- und Koalitionspokers: nicht dass Schwarz-Grün
scheiterte, sondern dass die daran Beteiligten deshalb recht bedrückt
sind. Keine Seite warf der anderen wahlweise hinterwäldlerische oder
utopische Sichtweisen vor. Man bemühte sich, das Gemeinsame vor das
Trennende zu stellen. Dass die Grünen letztendlich ausstiegen und es
vorzogen, im Bundestag wieder auf der Oppositionsbank Platz zu
nehmen, statt am Kabinettstisch mit Kanzlerin Angela Merkel
Geschichte zu schreiben, ist dennoch nachvollziehbar. Sie sind nach
der Schlappe bei der Bundestagswahl inhaltlich wie personell
geschwächt. Ihr neues, deutlich jüngeres, aber auch unerfahrenes
Führungsteam stünde einer Kanzlerin am Zenit ihrer Macht gegenüber.
Und glaube keiner, dass Merkel die Grünen schonen oder ihnen - im
Gegensatz zu den bereits verschlissenen Koalitionspartnern SPD und
FDP - auch mal etwas gönnen würde. Auch thematisch müssen sich die
Grünen erst finden. Der Versuch, sich auf dem Gebiet der
Finanzpolitik zu profilieren, ist ja gescheitert, der Ruf nach
höheren Steuern für Besserverdiener schreckte selbige ab. Auf Dauer
aber braucht es hier ein kräftiges Standbein, denn die Ökologie (so
wichtig sie auch ist) hat nach dem Atomausstieg nicht mehr den
gleichen Stellenwert für die Partei. Selbst wenn die Grünen wissen,
dass ihre Pläne für höhere Belastungen der Überarbeitung bedürfen -
sie hätten sie jetzt nicht zugunsten einer schwarz-grünen Koalition
über Bord werfen können. Es wäre dem Großteil ihrer Basis schlicht
nicht zu vermitteln gewesen. Trotzdem waren die schwarz-grünen
Sondierungsgespräche keine leeren Kilometer. Politiker, die jahrelang
Kontrahenten waren, haben miteinander statt übereinander gesprochen
und die Erkenntnis gewonnen: Wir können vielleicht eines Tages
miteinander. Nur eben noch nicht jetzt. Für die Grünen mag das
Scheitern eine Erleichterung sein, Merkel jedoch setzt es unter
Druck. Sie kann nicht mehr wählen, ihr bleiben nur noch die
Sozialdemokraten als einzige Option. Originellerweise wollen diese ja
auch Steuererhöhungen für Besserverdiener - aber eben in nicht so
großem Umfang wie die Grünen. Die Kanzlerin wird also etwas bieten
müssen, um die SPD ins Regierungsboot zu holen. Ein erstes Zuckerl
wird sie heute bei der dritten Sondierung auf den Tisch legen. Denn
schön langsam ist die Sondiererei ausgereizt. Das Land wartet auf
echte Koalitionsgespräche, und dafür muss der SPD-Parteikonvent am
Wochenende sein Okay geben. Doch die Position von SPD-Chef Sigmar
Gabriel ist nicht komfortabler als die von Merkel. Natürlich ist er
nicht verpflichtet, seine SPD in eine große Koalition mit der Union
führen. Aber dann müsste er eine Alternative anbieten. Diese könnte
Rot-Rot-Grün lauten. Doch das wollen Gabriel und andere führende
Sozialdemokraten (jetzt partout noch) nicht. Es bleibt also nur die
große Koalition übrig. Um den Kanzler zu stellen, ist die SPD zu
klein. Aber um sich zurückzulehnen und nichts zu tun, ist eine
Partei, die sich selbst Volkspartei nennt und bei der Wahl 25,7
Prozent der Stimmen erreichen konnte, dann doch eindeutig zu groß.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

491513

weitere Artikel:
  • Thüringische Landeszeitung: Lieberknecht: 2000 Beamtenstellen werden in Thüringen abgebaut Weimar (ots) - Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht ist sich sicher, dass die Koalition aus CDU und SPD "nach dem Wahlkampfgetöse" des Sommers" zur Sacharbeit zurückehren und noch vor den Landtagswahlen im kommenden September wichtige Projekte auf den Weg bringen wird. So sei bei der umstrittenen Funktional- und Verwaltungsreform ein Ergebnis "greifbar nah". Im Interview mit der Thüringischen Landeszeitung (Weimar, Donnerstag-Ausgabe) kündigt Lieberknecht zudem den Abbau von rund 2000 weiteren Beamtenstellen in Thüringen an mehr...

  • WAZ: Ruhrbischof Overbeck sieht Schaden für Glaubwürdigkeit der Kirche durch Vorgänge in Limburg Essen (ots) - Nach Einschätzung von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst der Glaubwürdigkeit der Kirche nachhaltig Schaden zugefügt. Entsprechend äußerte sich Overbeck in einem Gespräch mit der in Essen erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Donnerstagausgabe). "Ich hoffe, dass die Wirkung des skandalösen Geschehens in Limburg ist, dass wir uns alle, nicht nur wir katholischen Bischöfe, fragen: Wie leben wir eigentlich?", sagte Overbeck. "Es geht um mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: CDU und CSU haben sich in eine schwierige Lage manövriert = von Lothar Leuschen Düsseldorf (ots) - Das war nichts. Schwarz und Grün finden noch nicht zueinander. Vielleicht braucht diese politische Konstellation erst ein paar Proberunden auf Länderebene. Dieser Versuch ist in Hamburg und mit "Jamaika" im Saarland zwar auch schon einmal gescheitert. Aber in Hessen steuern die Parteien womöglich auf einen weiteren Test zu. Im Bund nicht. Das ist seit gestern klar, auch wenn die Grünen das Tor noch nicht ganz geschlossen sehen. Die Signale stehen auf Opposition, wenn nicht Schlimmeres geschieht. Aussagen der mehr...

  • NRZ: Amerika ist schwer beschädigt - ein Kommentar von DIRK HAUTKAPP Essen (ots) - Das Naturgesetz, wonach gegen die Leitwährung Dollar und die ihn steuernde politische Klasse kein böses Wort zu richten ist, gilt inzwischen nicht mehr. Mit jedem Krisen-Showdown wird das Murren gegen die latente Verantwortungslosigkeit Washingtons lauter. China, größter Gläubiger des Systemfeindes, ließ jetzt einen Satz verlauten, der noch Geschichte schreiben wird. Es werde Zeit, die Welt zu "ent-amerikanisieren". Pekings Angriff auf die Vormachtstellung des globalen Geldbeschaffers Amerika wird langfristig nicht mehr...

  • NRZ: Ein normaler Partner - ein Kommentar von MIGUEL SANCHES Essen (ots) - Erst mal ist die Chance zu Schwarz-Grün dahin. Langfristig waren die Gespräche keine verlorene Zeit. Man kann sagen, dass die Grünen in den Augen der Christdemokraten erst jetzt ein normaler Partner sind. Man kann mit ihnen regieren - oder auch nicht. Prinzipiell steht einem Bündnis nichts entgegen. Die Hemmungen waren schon viel größer. Es gibt eine neue Haltung, eine Aufgeschlossenheit - in Hessen auffälliger als im Bund. Dass aus Schwarz-Grün jetzt nichts wird, daran hatte Angela Merkel ihren Anteil. Die Bundestagswahl mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht