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Mittelbayerische Zeitung: Merkel allmächtig - Die Kanzlerin hat alle Trümpfe in der Hand. Sie muss mit ihnen verantwortungsvoll umgehen.

Geschrieben am 22-09-2013

Regensburg (ots) - Es ist ein wenig so wie im Zitat der englischen
Fußball-Legende Gary Lineker: Eine Legislaturperiode dauert vier
Jahre, alle dürfen mitspielen und am Ende gewinnt Angela Merkel. Und
das völlig ohne Anstrengung, ohne Programmdebatten oder
Auseinandersetzungen. Zu behaupten, die Union habe einen Wahlkampf
hingelegt, wäre schlichtweg falsch. Sandmännchengleich hat sie die
Wähler in einen sanften Schlummer versetzt, um am Ende wieder als
stärkste Partei dazustehen. Für CDU und CSU mag ihr bestes Ergebnis
auf Bundesebene seit 1994 ein Triumph sein. Sie hat aber damit auch
eine große Verantwortung übertragen bekommen. Ein paar Dinge sind
bemerkenswert bei dieser Wahl. Da wäre das Debakel der FDP. Fast zehn
Prozent haben die Liberalen seit der letzten Bundestagswahl verloren.
Wie schlimm es um die Partei steht, hat bereits ihre
Zweitstimmenkampagne offenbart. Eine Partei, die nichts anderes mehr
zu bieten hat, als mit der Spendendose durch die Lande zu ziehen und
um eine Stimme zu betteln, hat ihren Gestaltungsanspruch verwirkt.
Der Wähler hat bereits in Bayern gezeigt, was er von der FDP hält:
nichts. Kein Wunder auch, wenn das einzige, was den Liberalen
einfiel, ein Abklatsch einer Hustenbonbon-Werbung ist: "Wer hat's
erfunden?" Dumm nur, dass es dem Wähler egal war, weil er sich nur
daran erinnert, was die FDP versprochen hat und wie sie sich
aufführte, als sie mit knapp 15 Prozent vor lauter Kraft kaum laufen
konnte. Heute ist sie zu einer Protestpartei verkommen. Das haben
weder die Liberalen insgesamt, noch einige ihrer Protagonisten
verdient. Die FDP wird nie Volkspartei werden. Aber sie kann mehr als
betteln. Sie muss sich überlegen, wie sie diesen Bogen wieder
hinbekommt. Bemerkenswert ist auch das überraschend gute Abschneiden
der AfD. Ihr Erfolg speist sich aus frustrierten Wählern von Union,
FDP und Linkspartei. Analysten werden viel Freude damit haben, sich
einen Reim daraus zu machen. Union und FDP ebenfalls. Doch das
eigentlich Bemerkenswerte ist die Erkenntnis, dass es möglich ist,
Bundestagswahlen zu gewinnen, ohne sich die Mühe zu machen, Inhalte
zu diskutieren. Das Geheimnis des merkelschen Erfolgs ist sie selbst.
Wenn eine Handhaltung genügt, um dem Wähler das Gefühl zu geben, dass
er umsorgt und wohl behütet ist, ist das marketingstrategisch eine
Meisterleistung. Aber politisch kommt es einer Selbstentleibung
gleich, wenn das Programm voll und ganz hinter einer Person
zurücktritt. Denn die Bürger haben nicht CDU oder CSU gewählt; sie
haben Merkel gewählt. Und was bleibt von der Partei, wenn sie einmal
nicht mehr da ist? Eine leere Hülle. Dennoch gibt der Erfolg ihr
Recht. Denn der Gegenentwurf zu Merkels "Weiter so", das Programm der
SPD, konnte den Wähler nur insofern überzeugen, als er den Genossen
keine Blamage bescherte. Dass Steinbrück beim Wähler nicht
entscheidend punkten konnte, lag nicht alleine an seinen Pannen und
Patzern zum Wahlkampfstart. Es lag auch nicht an seinem
ausgestreckten Mittelfinger. Es lag daran, dass es Merkel gelang, die
Wähler zu überzeugen, dass es keinen Grund gibt, etwas zu ändern.
Aber den gibt es. Ein Weiter-so-Deutschland droht auf einen
politischen Stillstand zuzusteuern, der vergleichbar ist mit dem am
Ende der Kohl-Ära. Merkel kann sich bislang vor allem auf den
Lorbeeren der schröderschen Agenda 2010 ausruhen. Eine merkelsche
Agenda 2020, die dringend nötige Reformen etwa bei der Rente, der
Steuer oder der Energiewende brächte, ist aber bislang nicht in
Sicht. Die Union hat mit ihrem Ergebnis eine große Verantwortung
übertragen bekommen. Sie wiegt umso schwerer, als sie die Bürger im
Schlafwagen durch den Wahlkampf chauffiert hat, ohne zu sagen, wohin
die Reise geht. Dass nicht jedem dabei wohl ist, zeigt der Erfolg der
AfD. Merkel muss aufpassen, dass sie mit dem Vertrauen, das ihr der
Bürger fast blind gegeben hat, verantwortungsvoll umgeht.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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