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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Wahl: #gehwählen von Holger Schellkopf

Geschrieben am 20-09-2013

Regensburg (ots) - Zur Demokratie gehört die Entscheidung - wer
sich dem entzieht, wird sicher nicht gehört werden.

Eigentlich ist es ja etwas Schönes, wenn erwachsene Menschen ein
wenig Kind in sich bewahrt haben. Eigentlich - wenn es aber
ausgerechnet kindliche Naivität und kindlicher Trotz sind, ist das
schon weniger schön. Wenn diese Naivität und der Trotz dann auch noch
entscheidend für das Verhalten bei nicht ganz unerheblichen Dingen
wie den Bundestagswahlen sind, verliert das Kindliche im Erwachsenen
endgültig seinen Charme. Nichts anderes als Naivität und Trotz sind
es aber, die beispielsweise aus den wohl formulierten Sätzen triefen,
mit denen diverse Intellektuelle - zumindest verstehen sie sich
selbst als solche - ausgerechnet in den vergangenen Wochen öffentlich
ihren Wahlverzicht erklärt haben. Die Argumente in stark verkürzter
Prosa: Es gibt keine echten Alternativen. Parteien und Politiker
machen eh nur, was sie wollen. Es gibt keine Partei, deren Positionen
ich vollkommen zustimmen kann. Deshalb verweigere ich die Wahl, dann
werden die schon sehen. So elegant ausgeführt der Ansatz auch sein
mag, im Grunde lässt er sich auf eine Verhaltensweise aus der
Sandkiste reduzieren: Wenn ich die blaue Schaufel nicht haben kann,
dann spiele ich nicht mehr mit. Da werdet ihr schon sehen. Die
Konsequenzen sind im Prinzip auch sehr ähnlich: Die blaue Schaufel
benutzt ein anderes Kind und wenn es ganz dumm läuft, übernehmen die
fiesen Kerle aus der Nachbarschaft das Kommando im Sandkasten und
schubsen alle anderen Kinder nacheinander raus. Dummerweise geht es
am Sonntag aber nicht um eine blaue Schaufel, sondern darum, wer
künftig dieses Land regieren soll. Und auch wenn der Vergleich mit
dem Sandkasten natürlich der Komplexität des politischen Geschäfts
nicht gerecht werden kann. Im Kern sind die Abläufe nahezu identisch.
Wer sich der Wahl entzieht, sorgt nicht nur dafür, dass er seine
eigene Stimme verschenkt - er wertet damit im Endeffekt auch jede
Stimme auf, die beispielsweise an eine rechtsradikale Partei geht.
Natürlich wird kaum ein Wähler all seine politischen Positionen zu
100 Prozent bei einer Partei wiederfinden. Aber Demokratie heißt eben
auch, sich zu entscheiden. Sich zu entscheiden, was einem wirklich
wichtig ist und dafür an anderer Stelle auch mal Abstriche in Kauf
nehmen zu können. Demokratie heißt ebenso, sich einzusetzen für seine
Meinung und nicht beleidigt in der Ecke zu sitzen. Wer sich in noch
so eleganter Larmoyanz lediglich darüber ergeht, wie wenig
Alternativen die etablierten Parteien bieten würden, stellt am Ende
doch nur sicher, dass seine Stimme in jeder Hinsicht überhaupt nicht
mehr zählt. Wer nicht mitspielt, kann auch nicht mitreden, wenn es um
die Spielregeln geht. Klingt einfach, ist es im Grunde auch.
Ausgerechnet die wegen ihrer vermeintlichen Oberflächlichkeit so
häufig geschmähten Sozialen Netzwerke zeigen in den vergangen Tagen,
dass es auch ganz anders geht. Zahlreiche Sonderplattformen, die sich
mit der Bundestagswahl beschäftigen, geben die Möglichkeit, sich zu
informieren und zu diskutieren, zu kritisieren, zu streiten -
natürlich geht es auch darum, andere Menschen zu überzeugen. Selbst
wenn man - wie immer im Leben - nicht so selten über platte Parolen
oder laut hinausposauntes Unwissen verwundert sein muss: Diese
Diskussionen sind wesentlich zielführender und ertragreicher als die
weinerlichen Monologe der Wahlverweigerer. Deshalb lässt sich der
Auftrag für diesen Sonntag am Ende auch sehr einfach zusammenfassen.
Er lässt sich reduzieren auf den Hashtag einer Kampagne, die der
Kurznachrichtendienst Twitter in diesen Tagen gestartet hat:
#gehwählen



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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