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DER STANDARD-KOMMENTAR "Der Papst entstaubt die Kirche" von Gerhard Mumelter

Geschrieben am 12-09-2013

Mit ungewohnter Offenheit begeistert Franziskus die Gläubigen
- Ausgabe vom 13.9.2013

Wien (ots) - "Ciao Stefano. Ich bin Papst Franziskus. Du kannst
mich duzen." Der Student Stefano Cabizza in der kleinen Ortschaft
Camin bei Padua glaubte zunächst an einen üblen Scherz, als er den
Anruf des Papstes erhielt. Der 19-Jährige hatte dem Kirchenoberhaupt
eine Woche davor einen Brief geschrieben. Die Kommunikationsstrategie
des argentinischen Papstes wirft liebgewonnene vatikanische
Traditionen gleich haufenweise über Bord. Jorge Mario Bergoglio hält
nichts von der vornehmen Zurückhaltung seines Vorgängers Joseph
Ratzinger. Er hat viel mitzuteilen und praktiziert das mit
schlafwandlerischem Instinkt. Kritischen Fragen weicht er nicht aus,
er fordert sie heraus. Am Dienstag fuhr Franziskus wieder in seinem
Ford Focus durch Rom - ohne Eskorte. Sein Ziel: das von den Jesuiten
geführte Migrantenzentrum Astalli unweit des Kapitols. "Integration
ist ein Recht der Flüchtlinge", so der Papst, der einmal mehr mit
einer überraschenden Ankündigung aufwartete: Leerstehende Klöster
sollen künftig Flüchtlingen als Unterkunft dienen. Nur zwei Tage
vorher rieben sich konservative Kurienvertreter beim Lesen des
spröden Vatikanblattes Osservatore Romano die Augen, als sie gleich
mehrere Beiträge des peruanischen Befreiungstheologen Gustavo
Guttiérez entdeckten. Am Mittwoch erhielt die linksliberale römische
Tageszeitung La Repubblica unerwartete Post aus dem Kirchenstaat. In
einem persönlichen Schreiben an Chefredakteur Eugenio Scalfari
antwortete der Papst auf acht Fragen über die moralische
Verantwortung von Agnostikern. Das Staunen war noch nicht verebbt, da
sorgte der letzthin von Bergoglio zum Staatssekretär bestellte Pietro
Parolin für neues Aufsehen: Der Zölibat sei weder ein Dogma noch ein
Gesetz göttlichen Ursprungs und so offen für Diskussion. Damit stößt
der 58-jährige Kirchendiplomat ein Thema an, das in der römischen
Kurie unter Joseph Ratzinger als erledigt galt. Es gilt als
wahrscheinlich, dass der Vorstoß des zukünftigen Staatssekretärs mit
Franziskus abgesprochen war. Ob Parolins unerwartete Initiative eine
mögliche Änderung der Zölibatspflicht andeutet, bleibt allerdings
fraglich. Die Tonart der zukünftigen Nummer zwei der Kirchenführung
stellt einen deutlichen Bruch mit dem Stil seines umstrittenen
Vorgängers Tarcisio Bertone dar: "Neben der Treue zum Willen Gottes
und zur Geschichte der Kirche ist auch Offenheit für die Zeichen der
Zeit nötig." Zu diesen Zeichen rechnet Parolin offenbar auch den
wachsenden Priestermangel. Nimmt man den Zulauf der Gläubigen am
Petersplatz als Gradmesser, hat der neue Papst das Rennen bereits
gewonnen. Nach der Generalaudienz am Mittwoch verweilte Bergoglio
über eine Stunde in der drängenden Menge, schüttelte Hände und ließ
sich lachend umarmen - ein Papst zum Anfassen. Mit Spannung wird nun
seine Rede in Assisi am 4. Oktober erwartet, bei der sich Franziskus
einem Lieblingsthema widmen wird: der Entäußerung der Kirche von
materiellen Werten. Nur zehn Tage später treten gleichzeitig mit
Staatssekretär Bertone die zwei Leiter der vatikanischen
Vermögensverwaltung Apsa zurück, die über tausende Immobilien verfügt
und die Wertpapiere des Kirchenstaates betreut. Dann ist der Weg frei
für eine Reform, deren Zielvorgabe der Papst in gewohnt bildhafter
Formulierung schon vorgezeichnet hat: "Auch der heilige Petrus
verfügte über kein Bankkonto."

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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