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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Syrien/Obama: "Woche der Entscheidung" von Thomas Spang

Geschrieben am 09-09-2013

Regensburg (ots) - Barack Obama hat die Supermacht mit der Debatte
über die angemessene Reaktion auf den Chemiewaffeneinsatz in Syrien
in eine tiefe Sinn-Krise gestürzt. Diese geht weit über die
Glaubwürdigkeit der "roten Linien" hinaus, die ein amerikanischer
Präsident zieht. Erst recht daneben liegen die Populisten, die aus
der Abstimmung im Kongress ein kleinkariertes Kräftemessen mit dem
Weißen Haus machen wollen. Syrien wirft die fundamentale Frage auf,
welche Rolle die USA mit ihrer unübertroffenen Militärmacht auf der
Weltbühne spielen wollen. Obamas Zaudern, auf eigene Faust zu
handeln, reflektiert die Zerrissenheit der Nation nach den
Erfahrungen des 11. September und einem Jahrzehnt der Kriege. Das
Desaster in Irak hat der Supermacht unübersehbar das Selbstvertrauen
genommen, das sie unter Präsidenten wie Ronald Reagan und George W.
Bush bis zur Hybris projizierte. Wie sehr die Amerikaner heute mit
sich selbst ringen, offenbart der Verlauf der Fronten im US-Kongress.
Sie gehen quer durch die ideologischen Lager. Libertäre Republikaner
argumentieren so glühend gegen einen möglichen Krieg wie
pazifistische Linke. Von Menschenrechten bewegte Obama-Loyalisten
entdecken bei ihrem Werben für einen Militärschlag Gemeinsamkeiten
mit neokonservativen Falken. Es greift deshalb zu kurz, das Drama um
die Syrien-Resolution in den USA allein zur schwierigsten Woche in
Obamas Präsidentschaft zu stilisieren. Es geht um weit mehr.
Tatsächlich steht der Führungsanspruch Washingtons in der Welt zur
Disposition. Verweigert der Kongress Obama die Gefolgschaft,
bedeutete dies eine schwere Schlappe für den Amtsinhaber. Viel
gravierender wäre jedoch der Abschied der USA aus der globalen
Verantwortung, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg als Ordnungsmacht
übernommen hatten. Es drohte eine Rückkehr in den Isolationismus, der
in den 20er und 30er Jahren den Aufstieg des nationalsozialistischen
Deutschlands und der Sowjetunion begünstigt hatte. Niemand wünscht
sich eine Demütigung des Präsidenten mehr als Russland und China, die
den Führungsanspruch der USA seit Langem herausfordern. In der
Schwächung der Supermacht sähen deren Konkurrenten eine Aufwertung,
die es erlaubte, nationale Interessen und eigene Werte effektiver
durchzusetzen. Glaubt jemand ernsthaft, Moskau und Peking ginge es um
hehre Prinzipien, wenn sie sich im UN-Sicherheitsrat schützend vor
Verbrecher wie den syrischen Diktator Bashir al-Assad stellen? Wohl
kaum. Die Blockadepolitik ist nicht viel mehr als
global-strategisches Machtkalkül. Historiker werden einmal darüber
streiten, wie weise es war, den US-Kongress in die Entscheidung über
einen Vergeltungsschlag einzubinden. Die amerikanische Verfassung
schreibt dies jedenfalls nicht vor. Sie lässt genügend Ambivalenz,
die Obamas Vorgänger zu ihrem Vorteil ausgelegt haben. Darauf gründet
der Vorwurf, der Amtsinhaber habe mit seiner überraschenden
Kehrtwende das Präsidentenamt geschwächt. Umgekehrt lässt sich
argumentieren, dass Obama erspürt hat, wie groß das Risiko wäre,
einen Militärschlag im Alleingang zu wagen. Ohne Unterstützung einer
Nation, die an sich selbst zweifelt. So zwingt der Präsident seine
Landsleute in den Spiegel zu schauen und sich der Frage zu stellen,
welche Rolle die USA künftig spielen wollen. Wenn der Präsident
morgen zu seinen Landsleuten spricht, muss er den Amerikanern neben
seinen Argumenten für ein begrenztes Eingreifen vor allem diese
Dimension aufzeigen. Deshalb dürfte es die wichtigste Rede seiner
Amtszeit sein. Rückendeckung durch den Kongress stärkte nicht nur
Obamas Position im Weißen Haus, sondern bekräftigte den globalen
Führungsanspruch der Supermacht. Darum geht es in der kommenden
Schicksalswoche.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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