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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NSU-Prozess

Geschrieben am 06-08-2013

Bielefeld (ots) - Es geht um Schuld. Jedoch nicht um die der
Ermittler. Im Prozess zum »Nationalsozialistischen Untergrund« spielt
ausschließlich die Verantwortung der Angeklagten eine Rolle. Auch
wenn sich das viele Angehörige der Opfer anders wünschten. Das ist
verständlich, aber eines der größten Missverständnisse dieses
Prozesses. Er ist nicht dazu geeignet, Ermittlungspannen
aufzuarbeiten. Dafür gibt es Untersuchungsausschüsse. Vor Gericht
gilt es zu zeigen, ob Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten schuldig
oder unschuldig sind. Auf die Frage, was die Richter bis zur jetzigen
Sommerpause erreicht haben, gibt es reichlich Antworten. Es kommt auf
die Perspektive an. Neue Beweise gegen Zschäpe gibt es nicht, nur
Indizien. Zumindest hat die Aussage von Carsten S. eine neue Fährte
ergeben. Er verwies darauf, dass Zschäpes mutmaßliche Komplizen 1999
einen weiteren Anschlag verübt haben könnten. Solche Mosaiksteine
sind wichtig, spiegeln aber gleichzeitig den Verlauf des Prozesses
wider. Die Beweisaufnahme ist mühselig. Die Puzzleteile liefern
einzeln keine stichhaltigen Beweise. Im Ganzen könnten sie allerdings
das entscheidende Bild ergeben. Zschäpe trägt nichts dazu bei. Sie
schweigt. An ihrer Person zeigen sich die zu hohen Erwartungen an den
Mammutprozess. Die Tochter eines Opfers erhoffte sich eine
»menschliche Regung«. Der Wunsch ist nachvollziehbar, bleibt jedoch
Utopie. Zwei Sprengstoffanschläge, mindestens zehn Tote, mehrere
Banküberfälle: Reue oder Emotionalität sind von Zschäpe sicher nicht
zu erwarten. Obwohl die Angeklagten im Mittelpunkt stehen, gab es zum
Glück Momente, in denen die Opfer - abseits von besonders für die
Angehörigen unerträglichen Obduktionsberichten - den gebührenden Raum
erhielten. Ein solcher Moment war die Aussage eines Beamten, der
zugab, dass Opfer und deren Familien zu Unrecht verdächtigt wurden.
Das ist für das Urteil unerheblich, für die Hinterbliebenen
unverzichtbar. Viele waren nur gekommen, um das zu hören. Auf eine
Aussage Zschäpes zu ihrem Motiv hoffen sie lange nicht mehr. Nach den
Peinlichkeiten zu Beginn des Prozesses inklusive Presseplatzchaos ist
mittlerweile endlich Ruhe und Disziplin eingekehrt. Die vergiftete
Atmosphäre scheint Vergangenheit - das war höchste Zeit. NSU
erscheint allerdings nur noch selten auf den Titelseiten. Das war zu
erwarten. Laut Oberlandesgericht München ist im Schnitt nur noch ein
Drittel der Reporter anwesend, die zu Beginn dabei waren. Jedes
Detail ist zwar für das Gericht wichtig. Die Allgemeinheit
interessiert jedoch vor allem das Ergebnis. Dabei muss allen klar
sein, dass kein Gericht der Welt angesichts von mindestens zehn
Ermordeten Gerechtigkeit herstellen kann. Der mittlerweile nicht mehr
von Pannen und juristischen Winkelzügen überschattete Verlauf lässt
aber hoffen, dass am Ende zumindest ein Urteil herauskommt, das
Bestand hat.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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