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Westfalen-Blatt: DAs WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten

Geschrieben am 28-07-2013

Bielefeld (ots) - Die ägyptische Revolution entwickelt sich
geradezu klassisch. Ähnlich wie die große französische Revolution im
Bonapartismus endete, so ist auch heute ein General der starke Mann
der Regierung. Napoleon Bonaparte entmachtete im November 1799 durch
einen Putsch die Regierung. Die Legitimität holte er sich durch seine
Reformen und die wiederhergestellte Ordnung nach dem Chaos des
Terror-Regimes, was ihm eine bis heute anhaltende Popularität
bescherte. Auch General Sisi, der starke Mann in Kairo, will wie
Bonaparte seine Herrschaft durch die Straße legitimieren lassen. Sein
Aufruf an die Bevölkerung, sich den Demonstrationen der Muslimbrüder
entgegenzustellen, war eine Provokation der Muslimbrüder, potenziert
noch durch den Haftbefehl gegen Mursi. Die erwartete Konfrontation
gab den Militärs die Gelegenheit, gegen die Islamisten auf der Straße
hart vorzugehen. Es spricht vieles dafür, dass die Muslimbrüder die
Wahrheit sagen, wenn sie behaupten, viele Todesopfer seien von Kugeln
in Herz und Kopf getroffen, also von Scharfschützen hingerichtet
worden. Noch einmal wollten sich die Generäle nicht von der Straße
überrumpeln lassen. Ob Ägypten mit einem Bonapartismus besser gedient
ist als mit einer Scharia-Demokratie, bleibt abzuwarten. Die
Restauration am Nil ist jedenfalls in vollem Gang. Das Regime der
Muslimbrüder brachte nicht die erhoffte Freisetzung von Energien, wie
man sie gemeinhin von Demokratien erwartet. Vor allem die
bürgerlichen Schichten fühlten sich von der Unfähigkeit der
Muslimbrüder, das Land wirtschaftlich zu reformieren, tief
enttäuscht. Der Koran ist eben kein Lehrbuch der Ökonomie, und auch
als bürgerliches Gesetzbuch einer Demokratie taugt er nicht, auch
wenn die islamischen Denkschulen aus ihm und aus den Hadith, den
Sprüchen des Propheten des Islam, hunderte Verhaltensnormen für das
tägliche Zusammenleben ableiten. Die Generäle sehen das nüchterner.
Nur satte Bürger sind zufriedene Demokraten. Ob und wie sie dann
beten, sei ihnen überlassen. In Tunesien, im Ursprungsland des
arabischen Frühlings, wogt ebenfalls ein Kampf zwischen Annäherung an
eine Demokratie und islamistischer Herrschaft. Zwei populäre,
freiheitlich denkende Politiker wurden deswegen in diesem Jahr
ermordet und kaum einer zweifelt daran, dass die Mörder in den Reihen
der Islamisten zu suchen sind. Die radikalen Moslems wollen das Rad
zurückdrehen bis ins Mittelalter, notfalls mit Gewalt. Aber in der
alten französischen Kolonie ist die Zivilgesellschaft viel weiter
entwickelt als in Ägypten. Die Armee hält sich zurück, ein Bonaparte
ist nicht in Sicht. Die Partie ist offen. Hier könnte der Druck der
Straße Neuwahlen erzwingen und eine Verfassung hervorbringen, die
nicht im Sinne der Scharia ausgelegt werden kann. Die Muslimbrüder
wehren sich noch. Das ägyptische Beispiel aber rät ihnen zur
Vorsicht.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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