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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Papst Franziskus: "Das Projekt Franziskus" von Manfred Sauerer

Geschrieben am 26-07-2013

Regensburg (ots) - Ein Papst, der offen für Veränderungen in der
Kirche ist, der Lust an Erneuerung hat. Dass so einer kommt, hatten
viele Katholiken gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Und jetzt ist da
dieser Franziskus, ein 76-jähriger Jesuit aus Argentinien, und
stachelt die jungen Leute beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro quasi
im Vorbeifahren an: "Macht Krach! Ich will Durcheinander, ich will
Bewegung in den Diözesen". Und gleichzeitig prophezeit er das Ende
aller Macht- und Einflussphantasien der Geistlichkeit. Weg mit diesem
Klerikalismus! Die Kirche muss hin zu den Menschen, vor allem zu den
Armen, Gestrandeten und Benachteiligten. Das ist Franziskus'
Botschaft. Nach innen gewendet, hin zum Zentralismus der römischen
Kurie, aber auch in viele rigide geführte Bistümer auf der ganzen
Welt hineingerufen, kommen die Aufforderungen des ersten Papstes aus
Südamerika einer Revolution gleich. Insofern wird sich Widerstand
regen. Franziskus will eine Kirche, die den Menschen dient, deren
Vertreter durch vorbildhaftes Verhalten überzeugen und damit dem
Glauben neue Kraft und neues Vertrauen verleihen. Dieses
Sich-klein-machen wird denjenigen zuwider sein, die den Glauben Kraft
ihrer Autorität zu verbreiten gedenken und die es sich gut
eingerichtet haben im geistlichen Machtapparat. In Rio stellte
Franziskus seinen radikalen Worten noch schnell eine Entschuldigung
an die Bischöfe in den Bistümern voran. Aber von seinem Weg wird er
sich wohl nicht abbringen lassen. "Franziskus ist mehr als ein Name,
es ist ein Projekt", sagt der bekannte brasilianische
Befreiungstheologe Leonardo Boff, der einst in den Laienstand
zurückkehrte, weil er die ständigen Maßregelungen von Josef
Ratzinger, dem damaligen Chef der Glaubenskongregation in Rom, nicht
mehr ertrug. Mit dem Argentinier Bergoglio habe sich nun, so Boff,
die Figur des Papstes verändert. Und mit dieser Figur hat sich auch
eine Haltung, hat sich das Kirchenbild verändert. Viele träumen schon
von einem neuen Konzil - einem Konzil, das der barmherzigen
Volkskirche neuen Rückenwind verleiht und Reformen beschließt.
Franziskus jedenfalls will Veränderung. "Menschen können sich
ändern", rief er in Rio den Bewohnern eines Elendsviertels mit Blick
auf die korrupten Eliten Brasiliens zu. "Gebt die Hoffnung nicht
auf". Er will eine arme Kirche, die gerade daraus ihre Kraft schöpft
und diejenigen, die in Macht, Geld und Besitz ihr Glück suchen, zu
Gerechtigkeit und Solidarität bekehrt. Das klingt ein wenig
romantisch, wird aber durch sein eigenes Handeln glaubwürdig. Und es
ist ein Zeichen für die Katholiken. Denn nicht nur in Europa hat die
Kirche ein Glaubwürdigkeitsproblem, sondern inzwischen auch in
Lateinamerika. Dort laufen die zumeist armen Gläubigen vor allem in
Brasilien zu den protestantischen Pfingstkirchen über und versprechen
sich davon spirituelle Wunder. 1910 waren noch 90 Prozent der
Einwohner Lateinamerikas Katholiken, 2010 nur noch 72 Prozent. Das
große Ziel im Pontifikat Franziskus' heißt, für Gott wieder einen
Platz mitten im Leben zu schaffen. Der Ansatz, dies zu schaffen,
indem die Kirche den Menschen zum Maßstab allen Handelns macht, ist
durchaus erfolgversprechend. Der Papst kennt aber auch die Hürden,
die die Kurie inklusive der Hüter der Glaubensfragen hier aufstellen
wird. Seine Parole für die Jugendlichen in Rio - "Ich will
Durcheinander, ich will Bewegung" - wird er daher wohl auch bald
durch die Gänge des Vatikans rufen. Wünschen wir ihm, dass er dort
genügend begeisterte Zuhörer findet. Und wünschen wir ihm eine
robuste Gesundheit.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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