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DER STANDARD - Kommentar "Um"oder "für"Arbeitsplätze von Eric Frey

Geschrieben am 17-07-2013

In der Wahlkampfrhetorik klaffen zwischen SPÖ und ÖVP Welten,
in der Praxis nicht - Ausgabe vom 18.7.2013

Wien (ots) - Wenn in einem Wahljahr die Arbeitslosigkeit steigt,
dann wird der Kampf dagegen automatisch zum zentralen Wahlkampfthema.
Nun gibt es beim Thema Arbeitsplätze üblicherweise wenig Raum für
unterschiedliche Positionen: Alle sind stets dafür, niemand ist
dagegen. Dennoch hat sich zwischen SPÖ und ÖVP zumindest in der
Wahlkampfrhetorik eine Kluft aufgetan, die eine Schlüsselfrage der
gesamten europäischen Wirtschaftspolitik berührt. Während SPÖ-Chef
Werner Faymann auf seinen Wahlplakaten mit "Wir kämpfen um jeden
Arbeitsplatz" wirbt, setzt sich ÖVP-Obmann Michael Spindelegger "für
neue Arbeitsplätze" ein und deshalb auch "gegen neue Steuern". "Um"
oder "für"- dazwischen liegen wirtschaftspolitische Welten. Wer "um
jeden Arbeitsplatz" kämpft, will Personalabbau und Insolvenzen
verhindern und neigt dazu, bestehende Strukturen zu bewahren. Neue
Jobs aber entstehen dort am ehesten, wo die "schöpferische
Zerstörung" des Kapitalismus (Josef Schumpeter) am Werk ist, wo
Unternehmen sich möglichst frei entfalten können und alte Strukturen
heruntergebrochen werden - und bestehende Arbeitsplätze
verlorengehen. Zu diesem Bild passt das von Spindelegger zuletzt so
oft verwendete Wort der "Entfesselung". In Wirklichkeit nehmen beide
ihre Rhetorik nicht gar so ernst. Die ÖVP ist von einer
Deregulierungspolitik à la Margaret Thatcher, die im England der
Siebzigerjahre tatsächlich viele Jobs geschaffen hat, meilenweit
entfernt. Und auch Faymanns SPÖ hat sich von der Kreiskyschen Politik
der Arbeitsplatzsicherung durch Schuldenmachen längst distanziert.
Die Unterschiede zwischen den beiden Koalitionsparteien sind in der
Arbeitsmarktpolitik minimal - auch dank der Sozialpartnerschaft, die
hier immer noch den Ton angibt. Sonst wo in Europa ist das anders.
Die wirtschaftliche Misere im Mittelmeerraum geht auch auf zu rigide
Arbeitsgesetze zurück, die es Unternehmen kaum erlauben, Kündigungen
auszusprechen und sie deshalb von Neuanstellungen abhalten. Auch in
Frankreich ist dies das Hauptproblem. Und alle Versuche in der
Eurozone, Arbeitsmärkte zu liberalisieren, hatten bisher beschränkten
Erfolg. Wer einen fixen Job in diesen Ländern hat, muss nur selten
darum zittern; dennoch oder gerade deshalb wachsen die
Arbeitslosenheere. Österreich hat dieses Problem nicht. Es ist ein
gut gehütetes Geheimnis, dass diese angeblich überregulierte
Volkswirtschaft einen der liberaleren Arbeitsmärkte in der EU hat -
viel weniger rigide als etwa der deutsche. Das hiesige Prinzip
lautet: Kündigungen kosten etwas, aber sie sind machbar. Diese Option
hilft Arbeitslosen mehr als jedes Umschulungsprogramm. Dafür aber hat
Österreich durch die Kurzarbeit am Höhepunkt der Rezession bewiesen,
dass es manchmal klug ist, Personalabbau zu verhindern - nämlich
dann, wenn die Arbeitskräfte bald wieder gebraucht werden. Das
funktioniert allerdings nur bei erfolgreichen Exportunternehmen,
nicht bei Pleitebetrieben. Der Wahlausgang wird Österreichs
Arbeitsmarktpolitik weder in die eine noch in die andere Richtung
verschieben. Und die Arbeitslosenraten der nächsten Jahre hängen
ohnehin mehr von der Lage auf den Exportmärkten als von politischen
Entscheidungen im Inland ab. Mögen die Wahlkämpfer noch so viel von
Jobs reden: In Wahrheit haben sie nicht viel dazu zu sagen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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